68. Tag: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles

Freitag, 11. Oktober 2019
Strecke: 25,8km – Etappe: 316,4km – Gesamt: 1.972,9km
Gehzeit: 8:15 brutto / 6:30 netto.

Heute haben wir richtig volles Programm. Also sind wir schon sehr früh aus den Federn und um 8 Uhr vor der Tür. Völlig untypisch für uns. Uns empfängt die Kühle eines wolkenlos klaren Herbstmorgens.

Der Plan ist, nach Roncesvalles zu kommen, rechtzeitig, um dort den Bus zurück nach Saint-Jean zu erreichen. Denn morgen soll es Richtung Heimat gehen.
Vor der Tür ist die Richtung direkt klar: Bergauf!
(Natürlich gehen wir nicht nochmal zurück um die Etappe am Stadttor anzufangen und dort traditionell links über den schmalen Weg entlang des Flusses zu beginnen.)

Mental sind wir darauf gefasst, direkt beim Erreichen des Weges von einem Strom an Menschen mit bergauf gerissen zu werden. Aber das bleibt aus. Wir sind fast allein.
Das Thema des Tages ist, ich erwähnte es schon: Bergauf!
Unterwegs treffen wir recht viele Menschen, die meisten haben heute ihren ersten Tag und entsprechend schon recht früh recht heftig zu kämpfen.
Die Steigung ist kräftig, aber doch einigermaßen harmonisch und auf meist glatt asphlatiertem Weg erreichen wir nach etwa 7 Kilometern die kleine Herberge Orisson – auf einer Höhe von etwa 800 Metern, 600 Meter über dem Start. Bilder entstehen nicht so viele, denn die Strecke ist schon körperlich herausfordernd!

Karges aber grünes Weideland, wohin man schaut oder läuft. Die Richtung ist weiter zweifelsfrei klar: Bergauf!
In den Weiden finden sich erste, sehr wollige Schafe und es wird durch einen recht frischen Wind merklich kühler.
Nach etwa 11 Kilometern erreichen wir um 1.100 Metern Höhe die Statue der Jungfrau von Orisson. Sehr windig, also fällt die Pause dort trotz der herrlichen Sonne recht kurz aus.

Entlang des Weges fallen immer mal wieder kleine, kurze Mauern auf (Im letzten Bild der Galerie ist eine!). Zunächst rätsele ich etwas, aber dann wird klar, dass das wohl die alte Grenzbefestigung sein muß.
Der Wind wird jetzt echt kräftig und pfeift wirklich kühl um die Ohren.

Es geht stetig und auf gut ausgebautem Weg weiter bergauf, zu den Schafen gesellen sich noch Pferde. Wir wähnen uns praktisch in Sichtweite der spanischen Grenze. Denn natürlich haben wir uns auch nicht allzu intensiv über alle Details der Etappe informiert. Es soll ja auch noch etwas Überraschung dabei sein. Und so frage ich mich bei jedem Schild, jedem Steinhaufen, der in Sichtweite kommt, ob das denn nun der Grenzstein sein mag. Aufgrund des über die Jahrhunderte hinweg in der Region wahrscheinlich doch eher dynamisch gehandhabten Grenzverlaufs sicher keine ganz ungerechtfertigte Frage. Insbesondere, als um Kilometer 14, beim Croix de Thibault die Markierung eindeutig vom asphaltierten Weg abzweigt.

Dann, nach einem sehr entschlossenen, etwas gerölligen Ansteig ist es endlich soweit. Um Kilometer 15 erreichen wir etwas, das trotz fehlender Beschriftung ganz klar nach Grenzstein aussieht. Also beschließen wir, dass das nun Spanien ist; zudem der Weg dort einen Knick macht. (Und damit lagen wir genau richtig, wie ich gerade in Google Maps sehe!)
Sofort werden wir aus der Luft beobachtet.

Keinen Kilometer weiter erreichen wir die Rolandsquelle und wähnen uns nun tatsächlich oben. Aber, Moment, sind wir jetzt etwa doch wieder in Frankreich? In der Tat sind wir es wohl, weil der Grenzverlauf genau auf dem Weg zu verlaufen scheint, und die Quelle ist auf der linken Seite des Weges. In dergleichen Gedanken versunken, trete ich fast auf eine Schlange, die sich erschreckt über die Grenze flüchtet.
Wir erreichen einen knorzigen Eichenwald und denken “Ah, ab nun geht’s bergab!”.

Aber der Weg hat auf den nächsten drei Kilometern durch den Wald nochmal gut 100 Höhenmeter für uns, bis wir endlich Alto de Lepoeder mit knapp 1.430 Metern Höhe erreichen. Ab hier gibt es mindestens zwei Varianten. Die eine steigt direkt mit einem sehr rustikal-gerölligen Abstieg ein. Die nehmen wir dann lieber nicht!
Wir nehmen den etwas dezenteren, überwiegend asphaltierten Abstieg, damit wir noch ein wenig in die Landschaft schauen können. Und das lohnt sich auf dem Stück wirklich. Trotzdem falle ich mir das eine oder andere Mal fast über die Füße, weil uns ein großer Raubvogel begleitet.

Um Kilometer 23 erreichen wir den Ibaneta-Pass, haben aber nicht mehr so die rechte Neugier, uns mit der Kirche dort näher einzulassen. Jetzt reicht es irgendwie. Wir wollen ankommen.
Der Weg zweigt neben der Straße in den Wald ab, es geht locker geschottert weiter bergab. Zu sehen gibt es im Wald nichts mehr, und plötzlich stehen wir nach knapp 26km an der Abtei von Roncesvalles. Allerdings an der schattigen Schmuddelseite.
Wir treten durch eine eher dunkle Pforte ein, und da ist reger Betrieb. Wo kommen die denn nun plötzlich alle her, die hätten wir doch irgendwann tagsüber sehen müssen?!?
Die Antwort auf diese Frage ist uns nach unserem sehr gemütlichen und einsamen Weg durch Frankreich noch völlig schleierhaft; später mehr dazu, wenn ich zu den weiteren spanischen Etappen schreibe…
Wir holen uns in der Abtei den Stempel und lassen uns durch ihren Haupteingang auf den Vorplatz ausspucken; nicht, ohne einen Blick in die Kirche geworfen zu haben.

Am anderen Ende des großen Platzes wartet direkt neben der Bushaltestelle eine Bar mit einem freien Tisch in der Sonne auf uns. Na, wenn das kein Zeichen ist.
Wir sind rechtzeitig dran, prüfen sicherheitshalber doch noch mal den Fahrplan und warten mit ein Paar salzigen Nüßchen und einem Bier in der Sonne auf den Transfer zurück nach Saint Jean.
Das klappt alles bestens und pünktlich.
Beim Weg durch Saint Jean fühlt es sich sehr seltsam an, die Stadt, in der der Weg für die meisten beginnt, nur als Durchgangsstation auf der Heimreise wahrzunehmen.
Schnell finden wir die Unterkunft des Abends (dieses Mal in der Stadt, nicht außerhalb), erkunden nochmals die Gastronomie und lassen die Reise recht gemütlich aber doch irgendwie müde und ein wenig erleichtert ausklingen.
Und so wird es mal wieder schnell dunkel…

Fazit des Tages:
Das war so rein landschaftlich schon eine echte Knaller-Etappe!
Aber allein die Vorstellung, das als Pilger mit Start in Saint-Jean gleich als allererstes Stück des Weges zu haben, schmerzt!
Ein recht harter Tag, mit sehr schönen landschaftlichen Eindrücken. Zumindest für mich. Meine Begleiterin ging streckenweise ziemlich auf dem Zahnfleisch!

2 Replies to “68. Tag: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles”

  1. Irena

    Hallo Frank
    Ich warte schon lange auf deinen nächsten Bericht … ich hoffe, deine Reise geht weiter, du hast einfach keine Zeit zum Schreiben… Ich bin gespannt, für welchen Camiono du dich in Spanien entschieden hast und warum…
    Irena

    Antwort
    • Frank Author des Beitrags

      Hallo Irena,
      ja, es fehlt schlicht die Zeit zum Schreiben.
      Aber ich kann vorweg nehmen: Es ist der klassische Weg, wir sind 2022 bis Burgos gekommen.
      Und hadern noch damit, denn es ist im Vergleich zu Frankreich ja schon eine ziemlich kommerzielle Ameisenstrasse…

      Antwort

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