Mittwoch, 4. Oktober 2017
Strecke: 28,8km – Etappe: 28,8km – Gesamt: 1.095,4km
Gehzeit: 9:15 brutto / 6:45 netto
Der Morgen empfängt uns kalt, neblig und trüb. Dennoch kommen wir vergleichsweise gut aus dem Bett und vor die Tür. Die Kirche, die wir beim letzten Mal als Endpunkt definiert hatten, liegt direkt um die Ecke. Der Plan war, den Reisebericht auch wieder mit diesem Bild zu starten. Aber es ist einfach zu trübe für ein gutes Foto.
Montbrison ist nich übermäßig geschäftig. Dennoch sind die ersten eineinhalb Kilometer entlang der Hauptverkerhsstraße kein allzu spektakulärer Einstieg. Beim Frühstück haben wir uns etwas zu Essen eingepackt, und das wird gemeinsam mit den Vorräten von zuhause erst mal reichen. Denn weil die Anreise dieses Mal mit der Bahn erfolgte, war der Inhalt des Gepäcks etwas einfacher zu gestalten. Dennoch muß es ja getragen werden, also sind keine überbordenden Vorräte drin. Und wir denken auch nicht daran, einzukaufen. Denn bislang hat uns der Weg ja immer versorgt.
Also schauen wir, dass wir die laute und geschäftige Stadt möglichst schnell hinter uns bringen.
Aber schon auf den ersten Metern packt der Jakobsweg ungefragt eine seiner kleinen Überraschungen für uns aus: Kurz bevor wir die Hauptstraße verlassen, hält vor uns ein Auto. Der Fahrer fragt uns (eher rhetorisch), ob wir auf dem Weg wären. Und erzählt uns in kurzen Worten die Geschichte seines Weges. Wir sollten doch bitte im nächsten Ort, Saint-Thomas-La-Garde einen Moment in die Kirche gehen, um dort an einem der unzählingen Splitter vom Kreuz Christi sowie einer der ersten Jakobsfiguren auf seinem Weg eine kleine Andachtspause zu machen…
Wir sind zunächst mal froh, von der doch recht lauten Straße wegzukommen und lassen Montbrison bei etwa 2,5km durch die Felder hinter uns. Die Sonne hat noch etwas zu kämpfen, aber wir haben keine Zweifel, daß sie es heute noch schaffen wird.
Sanft ansteigend erreichen wir bei etwa 5km Saint-Thomas-La-Garde und treten erwartungsvoll in die Kirche ein. Die empfängt uns unerwartet dunkel und etwas muffig. Wir finden unseren Jakob und den Splitter, aber beides versprüht für uns heute noch nicht allzu viel Geist – vielleicht jucken die Füße noch zu stark, denn jetzt kommt die Sonne endlich durch. Und so sind wir aus dem Ort so schnell wieder draussen wie wir reingekommen waren. Der Weg steigt weiter an und die Sicht öffnet sich merklich.
- Blick auf Saint Thomas La Garde
- Den ganzen Morgen in der Ebene zu sehen: Saint Romain
- Panorama mit Saint Romain
Schon die ganze Zeit liegt der Kegel von Saint Romain schier unbeweglich in der Ebene und gibt uns das Gefühl, kaum voranzukommen. Der Weg steigt weiter leicht an und wir queren – nur mit Karte erkennbar ausgeschildert – ein kurzes Stück Felder und Furchen.
Wir haben nicht mit den zahllosen wilden Tieren auf der anderen Seite gerechnet. Die mit uns auch nicht, aber sie freuen sich und lassen den ansonsten für nervige Wanderer zuständigen Hund irgendwo in der Sonne weiterdösen. Kurz drauf folgt die erste Furt dieser Etappe – immer wieder nett anzuschauen und für unser verstädtertes Automobilverständnis völlig unvorstellbar.
- Wildes Getier jagt uns unverhofft und möchte gestreichelt werden!
- Da würde ich doch gerne mal ein handelsübliches SUV drin sehen! (Die Fußgängerbrücke ist im Gebüsch versteckt.)
Weiter geht es Richtung Süden, Richtung Sonne und so langsam wird es auch wärmer. Bei Kilometer 10 umrunden und erklimmen wir den Montsupt. Da gibt es wenig zu sehen (Kapelle abgeschlossen) aber eine Sitzgelegenheit für die Mittagspause genau dort, wo sie sein sollte – sind wir hier richtig?
Die leicht erhobene Aussicht bringt einen Blick über die im Sommer sicher endlos heiße Ebene, und auch Saint Romain wird endlich etwas kleiner.
- Blick vom Montsupt in die Ebene
- Blick zurück: Saint Romain wird kleiner!
Nach der Pause geht es langsam ansteigend weiter, mit vielen kleinen Abwechslungen am Wegesrand.
- Huch?!? Die Minions gibt’s ja wirklich! Und sie wohnen in der Nähe von Solemieux
- Wegweiser in Le Pont
- Le Pont: Besonders nett ist der Balken über der Furt, damit man sich drüber schwingen kann (?!?)
Der Weg steigt weiter an, nicht immer ganz sanft, aber doch angenehm zu gehen. Wie passieren die Häusergruppe “Le Pont”, streifen Solemieux und erreichen – weiter ansteigend – bei Kilometer 17,5 St. Jean Solemieux. Ein Café wäre nett, hier ist aber allgemein zu.
Die Kirche zeigt mit einem leicht abfallenden Innenraum am Hang eine ganz interessante Architektur, aber die Sonne draußen ist netter!
Aus dem Ort heraus steigt der Weg langsam aber unaufhörlich weiter durch Felder und ein wenig Wald, in dem ein beruhigendes Bächlein plätschert. Bei etwa 20km erreichen wir Ronchevoux.
- Dorfplatz von St. Jean Solemieux in der Sonne: Ein Café wäre jetzt echt nett und kein Bißchen fehl am Platze!
- Im Wald schaut’s erfrischend aus!
Die Sonne fordert ihren Tribut und unser Wasservorräte gehen zur Neige. Doch schon bald erreichen wir Marols. Der Ort ist sich zwar seiner Lage am Jakobsweg durchaus bewußt und grüßt mit einer sehr schönen Skulptur, aber ansonsten zeigt er uns vorwiegend geschlossene Türen, auch an der dem heiligen Jakob geweihten Kapelle. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass in Frankreich praktisch jeder Friedhof über einen Trinkwasseranschluß verfügt. Dieser nicht! Die Gräber sind samt und sonders mit Steinplatten und Kunstblumen bedeckt, da ist nix zu gießen! Also geht es trocken weiter. Na gut, das bedeutet andererseits auch weniger Gewicht zu tragen.
- Grüßt schon von Weitem: Jakobs-Skulptur in Marols
- OK, trotz juckender Füße…Zeit für ein Bild muß sein!
- Ach, das ist ja gleich um die Ecke!
- Marols: Jakob grüßt zum Abschied
- Wetterfest und etwas gelangweilt…
- Blick auf Marols
Nach Marols steigt der Weg etwas entschlossener weiter, und so knacken wir um Kilometer 23 die 1.000 Meter Mereshöhe.
Weiter geht es durch recht dichten Wald, und der Weg wird nochmal etwas anspruchsvoller, bevor wir bei knapp 1.175 Metern Meereshöhe den heutigen Höhepunkt erreichen. Das reicht jetzt aber langsam auch für den ersten Tag! Das waren zwar nur knapp 800 Höhenmeter, die dann aber dafür beständig.
Kurz drauf verlassen wir den ausgeschilderten Weg um uns Richtung La Chapelle en Lafaye zu wenden, wo wir in der Herberge reserviert haben. Es dauert trotz der Übersichtlichkeit des Ortes ein wenig, bis wir an der richtigen Tür klingeln. So können wir uns einen Überblick über die gastronomischen und infrastrukturellen Möglichkeiten verschaffen – das geht schnell und führt zu einem ernüchternden Ergebnis. Hier gibt’s nix!
Der Herbergsbetreiber verneint die Frage, ob er Abendessen anbietet. Aber er hätte ein paar Vorräte, von denen wir ihm etwas abkaufen könnten. Auch das ist im Wandschrank sehr übersichtlich, aber alternativlos. Der Wirt schlägt daraus kein Kapital, sondern verkauft extrem günstig – ich würde sagen zu Selbstkosten.
Die einfachsten Entscheidungen sind die mit nicht allzu vielen Optionen!
Die Herberge ist nett, wir sind die einzigen Gäste und haben Küche und Schlafgemach mit Etagenbetten für uns alleine. Die Architektur um Bad und Dusche ist etwas eigenwillig und bei Hochbetrieb sicher nicht ganz unproblematisch, aber das trifft uns nicht. Im Küchenschrank finden wir noch ein paar Reste an Gewürzen, und so gibt es das, was wir erstehen konnten: Suppennudeln mit Tomatensauce, in der etwas Mais schwimmt. Und eine Flasche Rotwein. Die Betten sind schnell bezogen, und wir denken nicht weiter über die gummiüberzogenen Matratzen nach. Vielmehr wird es mal wieder schnell Nacht..
Fazit des Tages:
Sehr schöne und überwiegend ruhige, sonnige Etappe, die uns wörtlich genommen auf die Höhe bringt. Panorama und landschaftlicher Reiz halten sich eher in Grenzen; Infrastruktur auch. Es ist schön, endlich wieder unterwegs zu sein!
Es ist aber schon zu spüren, dass das mit dem bislang sehr einsamen Pilgern bald ein Ende haben könnte. Die Herberge ist offensichtlich für den regelmäßigen Betrieb ausgelegt.