1.Tag: Frankfurt (Nord-Ost) – Hochheim

Freitag, 17. Oktober 2014
Strecke: 43,8km – Gesamt: 43,8km
Gehzeit: 9:30 brutto / 7:45 netto

Der Wecker klingelt zu einer für einen Urlaubstag absolut unflätigen Zeit – 6:45.
Aber heute soll es ja los gehen und das nicht zu spät.
So ziehe ich nach einem ruhigen Frühstück und einem letzten Blick in den Rucksack um etwa 8:15 die Tür hinter mir zu.

Diese Tafel markiert den nordöstlichsten Punkt Frankfurts und erklärt, warum man auf dem Weg von Kiev nach Santiago genau hier vorbei kommt. Die Pilger werden allerdings nicht immer mit einer roten Couch empfangen. Die stand nur 2012 mal für ein paar Tage da.

Diese Tafel markiert den nordöstlichsten Punkt Frankfurts und erklärt, warum man auf dem Weg von Kiev nach Santiago genau hier vorbei kommt. Pilger werden allerdings nicht immer mit einer roten Couch empfangen. Die stand nur 2012 mal für ein paar Tage da.

Der Weg beginnt an der Muschel, die am Straßenschild direkt vor der Tür klebt. Ganz am nordöstlichen Ende Frankfurts.
Ich bringe die Navigations-Äpp auf Spur und laufe los.
Es fühlt sich anfangs ziemlich seltsam an, mit Gepäck durch wohlbekanntes Gebiet zu stapfen. (An dieser Stelle keine Skyline-Bilder…)
Aber schon bald – nach knapp 2km – biegt der in diesem Abschnitt perfekt ausgeschliderte Jakobsweg in eine Straße ein, in der ich wirklich noch nie war. Faszinierend.
Es geht bergab durch die etwas weniger städtischen Wege einer Kleingartenanlage.
Immerhin ohne Verkehr, aber natürlich mit dem ständig dröhnenden Verkehrslärm des Ballungsgebiets. Hecken links und rechts, nicht viel zu sehen.
Dort, wo wohl bald ein neuer Autobahnknoten entstehen wird, unterquere ich die A661, durch weiterhin unbekannte Wege nähere ich mich der Eissporthalle von der Rückseite.

Jaja. Der Jakobsweg beginnt immer vor der eigenen Haustür. Aber sicher nicht immer so buchstäblich.

Jaja. Der Jakobsweg beginnt immer vor der eigenen Haustür. Aber sicher nicht immer so buchstäblich.

Jetzt bin ich immerhin schon eine gute Stunde unterwegs.
Plötzlich überrascht mich ein derber Schmerz in der Hüfte.
Na klar. Ich bin den ganzen Sommer wie wild geradelt (natürlich ohne Dehnen), aber kein Stück gelaufen!
Die Muskulatur lockert sich durch den Ostpark, durch den ich von dieser Seite aus auch noch nie gelaufen bin, und schon kurz vor der neu entstandenen Europäischen Zentralbank ist alles in bester Ordnung.
Die Ausschilderung des Weges ist hier noch unglaublich detailliert, sogar um den Bauzaun der Baustelle herum.
Beim Erreichen des Mains nach 9,5km sehe ich allerdings die letzte Muschel für eine lange Zeit. Das stört mich nicht, denn der Weg wird die nächsten Stunden am Fluß geführt. Da gibt es nicht viel Weg zu weisen.
Es geht am sattsam bekannten Tiefufer des Mains glatt asphaltiert in Richtung Innenstadt; den Schlenker über den Römer spare ich mir als Einheimischer. (Auch hier wieder keine Skyline-Bilder…)

Liebesschlösser am Eisernen Steg. Man kann einen Schlüssel in den Fluß werfen. Aber wie geht das bei dem Zahlenschloß??

Liebesschlösser am Eisernen Steg. Man kann einen Schlüssel in den Fluß werfen. Aber wie geht das bei dem Zahlenschloß??

Ich überquere den Main an meiner Lieblings-Fußgängerbrücke “Eiserner Steg” und setze meinen Weg flußabwärts fort.
Am Theodor-Stern-Kai mache ich mit Rückblick auf die Skyline meine erste Pause. (Nein, auch hier wieder kein Bild…)
Völlig verdattert stelle ich fest, daß ich mir schon eine Blase an der Ferse gelaufen habe. Das ist nach 13km kein gutes Zeichen.
Die Ursache ist leicht gefunden – Schuh nicht richtig gebunden. Aber da ist sie jetzt trotzdem.
Zügig folge ich dem Radweg durch extrem lautes Terrain zwischen Fluß und Straße weiter mainabwärts.
Vorbei an der Dienstleistungsstadt Niederrad, erst ab Goldstein vergößert sich der Abstand zur Straße und es wird etwas ruhiger.
Nach 20,5km biegt mein GPS-Track vom Fluß weg ab, vermutlich um die Mainschleife mit dem Industriepark Höchst zu umgehen.
Etwas verfrüht reiße ich die Arme in die Höhe als ich ein Ortsschild passiere, das das Ende Frankfurts markiert.

Die Kelsterbacher Direttissima: Drunter, durch, drüber, drunter. Aber wenn der Einstieg gefunden ist, ist es echt möglich!

Entlang der Schwanheimer Düne nähere ich mich dem navigatorischen Höhepunkt urbaner Fußwegführung – hier sagt ein Bild mehr als Worte.
Ein kurzes Stück entlang der Schnellstraße und ich überquere den Main.
Kurz drauf – jetzt bin ich etwa bei 25,5km – wird es in der Au des Mains endlich ruhiger. Viel ruhiger, mal abgesehen vom Flughafen.
Zeit zum Durchschnaufen und für eine weitere Pause. Mann, der Ballungsraum zieht sich aber echt!
Vor Okriftel sorgen Nutrias in einem Wassergraben für Kurzweil, denn sie lassen sich treudoof von Kindern füttern.
In Okriftel selbst würde ich mich jetzt gerne mal füttern lassen. Ich habe Kohldampf.
Kein Problem, wenngleich der Bäcker im Supermarkt wegen Renovierung geschlossen hat und ich mit Kaffeedurst weiter ziehe…
Als ich Okriftel – 31km – wieder verlasse, sehe ich beim Queren der L3006 mal wieder eine Jakobsmuschel, allerdings das europäische Modell mit Sternen drumherum.
Nach Eddersheim beginnt ein Flutdamm, auf dem der Weg ab dann geführt wird. Leider sieht man durch die dichten Bäume am Ufer nicht viel vom Fluß oder von der anderen Seite. Vollständig von Menschen gemachte, seelenlose Landschaft.
Bei etwa 38km habe ich Flörsheim passiert und muß das Hafenbecken umgehen.
So langsam denke ich, mein Tagwerk könnte getan sein. Aber der Flughafen ist noch so laut.
Also noch ein Stück weiter. Sagen wir Hochheim.
Ich navigiere kurz und verlasse den Jakobsweg, denn der ginge auf der anderen Seite der Bahnlinie entlang.
Kurz nach Falkenberg beginnen die Weinberge und der Weg steigt sanft Richtung Hochheim an.
Mitten in einem Weinberg steht ein Schild, das mich am 50. Breitengrad begrüßt. Außerdem sagt es, nördlich dieser Linie würde kein Qualitätswein wachsen. Warum steht es dann mitten im Weinberg??
Zwischenzeitlich habe ich wirklich genug. Die Steigung – ja, es geht in Summe auf den letzten Kilometern etwa 30 Höhenmeter aufwärts! – macht mich völlig fertig.
Ich erreiche den Ortskern von Hochheim auf dem kürzesten Weg, und das Hotel ist genau dort, wo es im Schema einer klassischen Ortschaft hingehört. Außerdem hat es einen Griechen im Haus!
Nach 43,8km beschließe ich den ersten Tag mit einer großen Grillplatte. Und, sehr zur Verwunderung des Wirts, esse ich sie nicht nur auf, sondern weise ihn mit Ouzo und Rechnung zunächst ab, um mir noch ein Dessert zu bestellen.

Fazit des ersten Tages:
Total überzockt, euphorisch losgerannt, durch den Krach der Umwelt nix gemerkt, mir tut jeder Knochen weh!
Sicher keine genußreiche Sahne-Etappe des Weges, sondern einfach der kürzeste Weg durch den Ballungsraum. Eine völlig alternative Wegeführung hätte für mich auch die nördliche Umgehung Frankfurts sein können. Das wäre zwar vielleicht ein Stück weniger historischer Weg gewesen – denn man bewegte sich ja doch eher entlang der Flüsse. Aber es wäre wesentlich ruhiger und landschaftlich ungleich schöner gewesen! (Der in Gegenrichtung verlaufende Bonifatiusweg wird so geführt…)

4 Replies to “1.Tag: Frankfurt (Nord-Ost) – Hochheim”

  1. Tanja Fröhlich

    Hallo,

    gerne würde ich ein Stück in Frankfurt mit meinem Vater (83) laufen, dessen Traum es immer war einmal den Jakobsweg zu laufen. Wo steht genau die Tafel (hier mit rotem Sofa) welche strasse gebe ich ein und nach was orientiere ich mich? gibt es alle paar meter auch ein Pfeil oder eine Muschel oder muss ich mir eigentlich eine App am besten runterladen mit der Strecke und gibt es das? würde mich sooo sehr über eine Antwort freuen.
    Lieben Dank
    Tanja

    Antwort
    • Frank Author des Beitrags

      Hallo Tanja,
      die Tafel steht genau dort, wo der Weg auf der Karte unten im Beitrag beginnt. Schau’s Dir am Besten mal mit Zoom genauer an. Da ist auch eine Kiesfläche, wo man mal für einen Tag ein Auto hinstellen kann.
      Als Strassenadresse ist Frankfurt, “Hohe Strasse”, ein guter Anlaufpunkt.
      Der Weg ist ab da recht gut mit der Muschel ausgeschildert, wenngleich ich ihn – je nach Form Deines Vaters – eventuell etwas variieren würde. Da sind auch ein Paar Ecken dabei, die zu verpassen kein großer Verlust ist.
      Schau’ auch Mal bei der Jakobus-Gesellschaft Frankfurt nach; da gibt es immer Mal wieder Pilgertage in der Gegend. Das bringt Euch zudem in spirituelle Begleitung.
      Von der Tafel in die Innenstadt sind es glaube ich so etwa 12-13 Kilometer, mit recht guter Nähe von Bus und Bahn, falls es doch nicht so läuft.
      Auch sehr schön ist das Panorama auf dem Weg ab dem “Hühnerberg” in der Nähe von Wachenbuchen. Da läuft man etwa 5 Kilometer auf das Frankfurter Panorama zu, bis man eben jene Tafel erreicht. Das schafft man navigatorisch normalerweise ohne App. Die in meiner Reisevorbereitung beschriebene tut aber für umme gute Dienste.
      Eventuell auch interessant für einen Tag könnte die Strecke von Hochheim nach Mainz sein. Der Mainzer Dom ist ein schönes Ziel.
      Mehr gerne per EMail.

      Antwort
  2. Markus Leißner

    Die Hessische Jakobusgesellschaft e.V. ist dabei den Jakobsweg von Frankfurt bis Mainz auszuschildern. Derzeit ist die Strecke zwischen dem Dom in Frankfurt und dem Bahnhof in Hochheim mit Schildern und Pfeilen versehen. Den Streckenverlauf findet man unter “jakobus-hessen.de”.
    Wie in diesem Reisebericht empfohlen, führt die Strecke ab Kriftel parallel zur Bonifatius-Route bis Mainz.

    Antwort
    • Frank Author des Beitrags

      Super, Danke für die Nachricht. Die neuen Wegweiser sind mir auf meinem Weg zur Arbeit kürzlich aufgefallen und werden die weniger ortskundigen Pilger sicher erfreuen!
      Ich persönlich habe eine Schwäche für die Schwanheimer Düne (Ich weiß nicht, warum mich dieser Ort so fasziniert.) und würde den seinerzeit von mir gewählten Weg südlich des Industrieparks weiterempfehlen. Letztlich macht es aber nicht viel aus; die Richtung “den Main entlang” ist hier ganz klar.

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert