Freitag, 14. Oktober 2016
Strecke: 28,8km – Etappe: 56,9km – Gesamt: 913,1km
Gehzeit: 8:00 brutto / 5:30 netto
Der Wecker schickt uns nicht allzu spät zum Frühstück, und das ist zwar relativ einfach aber ganz nett. Zumal der Blick aus dem Fenster nicht gerade Lust auf Weitwandern macht. Wo doch die Klamotten gerade wieder trocken sind.
Als wir gegen 10 auf der Straße stehen, ist es nicht so ganz klar, ob das nun schwerer Nebel oder leichter Sprühregen ist. Also lieber gleich in die Regenklamotten.
Den ersten halben Kilometer geht es einfach auf der Straße weiter. Dann merke ich, daß die Navigations-Elektrik nicht richtig läuft. Ich erwecke sie zum Leben und gleich darauf geht es links ab. Zwar würde auch die Straße geradeaus in Richtung des Etappenziels führen, aber wir wollten noch die im Reiseführer besprochene Kirche von Saint-Jacques-des-Arrêts sehen.
Die empfängt uns bei Kilometer 2 relativ dunkel und auf den ersten Blick verschlossen – wie der ganze Ort auch.
Aber auf der rechten Seite ist (wie so häufig bei französichen Kirchen) eine Seitentür, und die läßt sich (wie so häufig) mit etwas Willem und einem beherzten Handgriff öffnen.
Die Kirche bleibt relativ dunkel, so daß die umfangreichen Gemälde an den Wänden nicht zu erkennen sind.
Im Chorraum bemerkte ich recht viele Strahler, sehe aber keinen Schalter dazu. Ich zappele und hüpfe etwas, in der Hoffnung auf einen Bewegungsmelder. Aber auch das hilft nicht.
Schade.
Im Rausgehen schaue ich mich nochmal kurz um und sehe direkt neben dem Eingang ein paar Schalter mit kleinen Landesfähnchen. Schwarz-rot-gold gibt’s nicht. Ich drücke auf den Union Jack. Aaah!
In der Kirche geht das Licht an, und eine Stimme führt uns von Bild zu Bild; den jeweiligen Spot anschaltend.
Nach etwa einer halben Stunde sind wir wieder draußen im leichten Regen und folgen der Straße durch Wiesen und Felder nach Chagny. Auf der anderen Seite des leichten Tals schaut mich eine romanische Kirche an. Schweren Herzens lassen wir sie rechts liegen – ein weiterer Platz, der irgendwann mal mit dem Wohnmobil aufzusuchen ist.
Bei etwa 6km erreichen wir Ouroux, und dort gibt es ein kleines, extrem universelles Geschäft für alle Fragen des täglichen Lebens. Wir kaufen ein wenig ein und gönnen uns einen Espresso in der mit Bildern amerikanischer Sehenswürdigkeiten geschmückten, angejahrten Bar.
Ab jetzt ändert die Tagesetappe ihren Charakter. Direkt hinter Ouroux geht es in den Wald. Und bergauf, knapp 300 Höhenmeter. Das Wetter wird immer grauer, durch die Anstrengung des Steigens und den damit verbundenen Schweiß auf der einen Seite und der von außen kommenden Kälte und Nässe auf der anderen Seite geht es Reissverschluß auf, Reissverschluss zu. Das ist wohl der feine Unterschied zwischen Theorie und Praxis atmungsaktiver Kleidung. Wenn man bei Sauwetter drinnen eine für den Austausch ausreichende Feuchtigkeit und Temperatur erreichen möchte, geht man ein!
So lange ich in Bewegung bin, braucht mein Körper die Kühlung durch die offenen Reissverschlüsse, sobald ich stehen bleibe oder eine Windböe kommt, wird’s zu kalt.
Etwa bei Kilometer 14 erreichen wir den ersten Straßenpass des Tages, den Col de Crie, von oben durch die Weiden kommend. Mag sein, daß es hier normalerweise Panorama geben mag. Für mich fällt das aber wieder mal aus.
Es geht ein Stück an der Straße entlang bis der Weg nach rechts abzweigt und über die nächsten Kilometer stetig weiter ansteigt. Bei Kilometer 22 sind wir auf etwa 970m Höhe angekommen. Aussichten gibt es kaum, denn wenn der Kulturwald aus schnell wachsendem Nadelholz mit teilweise beeindrruckenden Baumhöhen sich mal ein Stück weit öffnet, ist es dahinter nur grau. Das könnte sicher auch der Hochschwarzwald sein.
Die nächsten Kilometer geht es stetig bergab, es folgen ein paar kleine Ortschaften – nein, das ist zu viel gesagt, es sind immer nur eine Handvoll Häuser.
Und es rächt sich zum ersten Mal, daß ich bei der Planung die Höhenlinien ziemlich konsequent außer Acht gelassen habe. Bei Kilometer 25 sind wir wieder auf etwa 620m Meereshöhe.
Kälte, Regen und Steigung haben auf die Reisegeschwindigkeit gedrückt und an den Kräften gezehrt. Alles ist nass und schwer, auch die Stimmung.
Es reicht!
Das Etappenziel Propières muß ziemlich in der Nähe sein aber die letzten Meter ziehen sich ziemlich zäh. Kein Wunder; der Flecken hier heißt auf der Karte tatsächlich “Le Mort” – das macht Mut! Die Richtung ist zwar im Grunde klar, der Weg aber nicht immer ganz eindeutig ausgeschildert. Das nagt noch etwas an der Laune.
Das Hotel ist aber leicht zu finden.
Aber auch wenn man das einzige Haus am Platze ist, scheint man doch nicht so recht mit weiteren Gästen gerechnet zu haben. Das erste Zimmer begrüßt uns mit benutzten Handtüchern und einem zerwühlten Bett.
Danach wird es im zweiten Zimmer dann aber ganz gemütlich. Die Heizung scheint zwar nicht ganz so leistungsstark wie die des Vorabends, aber die Kleider sind heute auch nicht ganz so gnadenlos durchweicht.
Im Haus gibt es ein Restaurant, und hier gibt es ordentlich was auf den Teller.
Eine große Portion Nudeln mit Geschnetzeltem und Rotwein später wird es mal wieder schnell dunkel…
Fazit des Tages:
Höhenmeter sind auch Meter! Auch bei gutem Wetter wäre diese Etappe schon etwas anstrengend gewesen.
Und gutes Wetter, ja, das hätte was gehabt!
Gefühlt den ganzen Tag durch den Regenwald getappt und niemanden und nichts gesehen. Sogar die Tiere sind allem Anschein nach daheim geblieben!