Dienstag, 20. Oktober 2015
Strecke: 27,2km – Etappe: 267,7km – Gesamt: 782km
Gehzeit: 7:45 brutto / 5:00 netto
Beaune hat ja schon mal so etwas wie “schön” im Namen.
Und so zeigt sich die Stadt auch am Morgen.
Zudem habe ich herausgefunden, daß es gar nicht so weit weg vom Stadtkern eine Senf-Manufaktur gibt, die regelmäßige Besichtigungen anbietet.
So beginnt ein wirklich sehr schönes, scheinbar planloses Gekreisel um den herrlichen Kern der Altstadt.
Das kostet – wie an dem Verhältnis zwischen Brutto- und Netto-Zeit zu sehen – wirklich viel Zeit, macht aber Spaß.
Es geht los auf dem zentralen Platz in der Nähe des Hotels. Die Statue ist nicht Opfer übermäßiger Korrosion, sondern das ist das Werk eines im Ort sehr bekannten Künstlers.
Es geht die erste Runde durch die Stadt, vorbei an einem ehemaligen Armenhospiz. Wir nehmen aber mal zur Kenntnis, daß man sich ein solches Gebäude im Jahr 1443 erst mal leisten können muß und es dann unbeschadet durch die Jahrhunderte bringen muß!
Gleich gegenüber zeigt man, was die Senioren hier jung hält.
Ich finde meinen Weg auf der Ausfallstraße Richtung Moutarderie, die Zeit bis zur nächsten Führung drängt ein wenig.
Das Haus ist recht leicht zu finden; immer den röhrenden, neuen Mercedes SLS nach. Mann, hier fährt echt die Armut auf den Straßen rum, das ist unglaublich! Fast alle haben nur zwei Sitze im Auto!
In die Moutarderie kann ich leider nur einen kurzen Blick werfen.
Ausgerechnet heute hat man leider keine Zeit für mich. Erstens hätte der Chef gerade das Fernsehen da und zweitens kämen gleich zwei Schulklassen. Nein, da könne man leider nichts machen, ich sollte doch heute Mittag um drei wieder kommen.
Nein, danke, so schön ist es hier dann auch nicht!
Also kehre ich wieder in den Stadtkern zurück und begebe mich auf die Suche nach Stempelstelle und Kirche.
Beides ist nicht ganz so einfach.
Den Stempel gibt nur das örtliche Tourismusbüro, und zwar dessen Niederlassung außerhalb des Stadtkerns.
Und die Kirche versteckt sich trotz ihrer Größe äußerst geschickt im Gewirr enger Gassen.
Die Suche nach der Kirche allerdings lohnt sich.
Schon von außen macht der Bau einiges her.
Die Eingangstüren machen mir anfangs keine großen Hoffnungen, Einlaß zu finden.
Mit einem beherzten Schub öffnet sich jedoch ein Teil der Tür.
Innen reibe ich mir schon ein wenig die Augen.
Ich hätte eigentlich erwartet, daß es drinnen dunkler wäre als draußen.
Das Haus lädt mit vielen handwerklich sehr schönen Details und einer sehr angenehmen Grundstimmung zum Verweilen und Besichtigen ein. Sicher lauern auch hier endlose Geschichten.
Denn neben den Seitenschiffen haben sich die traditionsreichsten Familien – mutmaßlich mit-Finanzierer des Gebäudes – eigene Familienkapellen eingerichtet, teilweise mit Grüften. Die meisten sind abgeschlossen – auch in der Ewigkeit ist man gerne unter sich.
Aber auch hier zeigt man, was man hat.
Die Fenster sind atemberaubend.
Einen recht exponierten Platz nimmt das “Kind von Beaune” ein. Das hat wohl schon so die eine oder andere Wohltat vollbracht, wovon die zahlreichen Tafeln im Hintergrund künden.
Ich setze meinen Rundgang fort…
Mit Blick auf die Uhr reiße ich mich von der spektakulären Kirche los, natürlich nicht ohne die hochoffizielle Vorderansicht derselben.
Hier ist die Stadt etwas weniger eng und verwinkelt. Klar, denn hier muß natürlich auch Platz zum öffentlichen Feiern sein!
Jetzt hab’ ich’s auch navigatorisch wieder im Griff und ich mache mich auf den Weg stadtauswärts.
Bei Kilometer 3,75 (inklusive des ganzen Getreidels durch die Stadt) bin ich wieder in den Weinbergen.
Perfekter Sonnenschein, die Kälte des Morgens hat sich auch weitgehend verflüchtigt, zumal der Windhauch des Tages tendenziell eher von hinten weht.
Weiter geht es durch die teuersten Weinlagen Frankreichs, die sich beschwipst noch flüssiger aussprechen ließen – könnte man sich davon einen Rausch leisten. Aber man muß es ehrlich sagen: Als eher trinkfester 100kg-Mann wird man sich vom “Mmmmörsoohht!” vor Ende des Kreditkarten-Limits kaum berauschen können!
Aber auch direkt von der Rebe schmeckt die Pinot Noir-Spätlese im Sonnenschein gar vorzüglich!
Kurz drauf treffe ich nach einer ausgiebigen Pause in der Sonne, bei der ich wieder ein paar ungewöhnliche, Deutschland unbekannte Mercedes-Extras entdecke (oder hat hierzulande schon mal jemand einen mit Kristallen verzierten Stern und Kühlergrill an der AMG C-Klasse gesehen?) erstmals auf einen Radweg. Also einen ziemlich reinen Radweg, gelegentlich noch genutzt von landwirtschaftlichen Maschinen.
Zuvor streue ich noch einen Rückblick auf Volnay ein, der auch eine mallorquinische Straße zeigen könnte.
Es geht landein, landaus durch endlose Weinberge.
Weitgehend menschenleer. Zwar steht hie und da ein Kombi oder es ackert sich eine Maschine durch die Reben. Aber das ist stets so weit weg, daß sich im Grunde nicht der Eindruck weiterer menschlicher Präsenz einstellt.
Der Radweg verspricht schnelles und unbeschwertes Vorankommen. Der Verkehr hält sich in überschaubaren Grenzen.
Die Kilometer gehen dahin, einer wie der andere, und trotz der entspannten Farbenpracht beginnt sich’s doch immer mal wieder ein wenig zu ziehen.
Zwischendurch ist die Sonne auch mal weg und es wird kühl, so daß ich mich für die nächste Pause bei Kilometer 17 in eine Bushaltestelle in Chassange-Montrachet zurückziehe.
Was denn? Erst 17 Kilometer? Klar, die Stadtrunde in Beaune hat echt Zeit gekostet!
Etwa bei Kilometer 20 verlasse ich das Weinland für heute auf recht seltsame Weise, natürlich nicht, ohne noch eine Handvoll Pinot-Noir-Trauben zu vernaschen.
Es geht ein klein wenig bergab, die laut Karte gleich zur Querung anstehende Bahnlinie kommt erst knapp 100 Meter vorher zum Vorschein.
Kurz drauf geht es unter einer Autobahn hindurch und bergauf.
Bergauf?
Wie soll das denn jetzt gehen? Ich soll mich laut Karte doch nun bis zum Fluß oder Kanal halbwegs geradeaus halten und dann dem Gewässer folgen.
Aber warum dann bergauf?
Das meinen die Ernst! Die Wegweisung ist recht klar, und auch das GPS läßt eigentlich keinen Zweifel.
Gemütlich steigt der Weg durch den Ort. Und hier ist alles trocken.
Ein letztes Mal steigt der Weg herzahft an und führt auf einer Brücke über…einen Kanal!
Der Eindruck der Landschaft wechselt sich innerhalb einiger Schritte komplett.
Als wäre es nie anders gewesen geht der Kiesweg neben dem vollsynthetischen Gewässer entlang, das nicht den Eindruck erweckt, so richtig lecker zum Baden zu sein.
Nach einem Stück gibt es im Uferbewuchs nochmal so etwas wie ein Fenster zurück:
Artig trotte ich die nächsten Kilometer am Ufer entlang, bis ich die nächste Brücke erreiche.
Dort habe ich so eine Idee…
Obwohl es im geplanten Etappenziel Rully eigentlich mehrere Unterkünfte geben sollte, rufe ich vorher doch lieber mal kurz an.
Und telefoniere nur mit Anrufbeantwortern, die mir glaubhaft versichern, man habe gerade weißgott schöneres zu tun als sich mit Gästen zu beschweren.
Glück gehabt, denn auf der anderen Seite der Brücke geht es direkt nach Chagny, wo ich nach ein wenig Suchen ein Hotel finde.
Chagny sah auf der Karte etwas besser ausgestattet aus als es sich dann im realen Leben gibt.
Insbesondere der Keller mit dem reizvollen Namen “La Cave des bières” macht schon echt neugierig. Nur leider hat der zu.
Die Verpflegung des Abends ist dennoch kein Problem.
Fazit des Tages:
Schöner ist’s, wenn’s schön ist!
Herrliche Etappe durch sonnige Weinberge, netter Start am Morgen, unbeschwertes Wandern.
Das Bein sing zwar nicht gerade das Hohelied, macht aber mit.
Und 27 Kilometer sind eigentlich ja dann doch nicht so schlecht.
Weiter so!