21.Tag: Tarsul – Dijon

Freitag, 16. Oktober 2015
Strecke: 34,4km – Etappe: 191,3km – Gesamt: 705,6km
Gehzeit: 7:45 brutto / 6:15 netto
Die Nacht war dunkel und ruhig. Ziemlich absolut. Ich weiß, das schrieb ich gestern schon.
War sie aber dennoch wieder. Keine Spur von röhrenden Hirschen!

Jakobsweg Tarsul Herberge Frank Stückradt

Im Hintergrund: Der Erweiterungs-Bau, wenn’s mal mehr als etwa Sechs Gäste sind…

Weil heute ja nicht so viel ansteht, lasse ich mir beim Frühstück etwas Zeit und plaudere noch ein wenig mit den Gastleuten.
Gegen halb zehn komme ich dann doch auf die Strecke, nachdem ich ordentlich Modell gestanden habe – die beiden fotografieren grundsätzlich alle ihre Gäste, die in das Gästebuch geschrieben haben.
Aus Tarsul heraus geht es direkt sehr ruhig weiter, sieht man mal von dem Dorfebwohner ab, der seinen weniger gut erhaltenen aber immerhin noch fahrtüchtigen 2CV röchelnd, hustend und röhrend (also das Auto, nicht er!) zum Leben erweckt.
Die ersten Kilometer sind landschaftlich nicht Fleisch, nicht Fisch. Am Waldrand entlang geht es bei eher trübem aber noch nicht regnerischen Wetter die ersten 5 Kilometer nach Vernot.
Das empfängt mich für einen Ort in dieser Region absolut typisch mit einem Waschhaus auf der zentralen Kreuzung.
Gegenüber ist, na, was wohl?

In Vernot mache ich in Verbindung mit dem Pilgerführer einen kleinen Navigationsfehler und halte mich zunächst rechts, in der Hoffnung, dann den Berg hoch zu kommen. Klappt aber nicht. Also zurück in den Ort, am Ortsausgang rechts ab in den Wald und ganz einfach immer geradeaus und bergauf.
Die Kuppe des Hügels erreiche ich bei etwa 10 Kilometern, aber die Aussicht ist mal wieder eher weniger rauschhaft.

Immerhin entbietet mir der große Wald einen letzten Gruß, bevor ich ihn verlasse.
Suassy empfängt mich zur Mittagszeit eigentlich ganz malerisch aber mit einem nervtötend kläffenden Köter an der Dorfkirche, also werde ich nach kurzer Rast doch nicht seßhaft, sondern ziehe bei etwas ungemütlichem Luftzug weiter.
Nach Saussy im Feld vertue ich mich kurz hinsichtlich des Weges, da hat die GPS-Planung mal einen Ausrutscher gehabt.

Jakobsweg Waldweg in der Nähe von Messigny et Vantoux

Schon wieder Wald…

Aber der ist im kommenden letzten Waldstück schon bald vergessen.
Etwa bei Kilometer 16,5 muß ich wieder vom geplanten Weg abweichen – der Besitzer des Waldes hier legt keinen allzu großen Wert auf Gesellschaft und macht das durch Schilder und Zäune ganz eindeutig klar.
Entlag der wenig befahrenen Straße erreiche ich bergab ziemlich zügig Messigny-et-Vantoux, das mich eher trübe und mit vielen Lastern (also den Autos jetzt…) Willkommen heißt, denn am Ortseingang ist eine Werkstatt für Nutzfahrzeuge.
Im Ort bietet eine Bushaltestelle einen Rastplatz, und ich gönne mir eine Pause.
Es ist doch etwas laut und wird im Sitzen schon recht bald kühl, also dehne ich die nicht sonderlich aus.
Zumal sich irgendwas im Körper ein wenig seltsam anfühlt, so ein kleiner Hauch von Matschbirne vielleicht? Und ein ganz leichtes Ziehen im rechten Schienbein?

Am Ortsausgang von Messigny-et-Vantoux überquere ich das, was eigentlich der Bach hätte sein sollen, dem ich (abweichend von den offiziellen Wegempfehlungen) Richtung Dijon folgen wolte. Ziemlich trockener, tiefer Graben.
Nach Vantoux, wo ich das Lager oder die Wagenburg einer soeben angereisten Jagdgesellschaft durchquere, folge ich zunächst dem Weg am Bach entlang.
Der Weg ist aber nicht so richtig komfortabel und die Landbesitzer weisen mit Schildern und Zäunen darauf hin, daß sie nicht gestört werden wollen.
So ändere ich ab Ahuy (etwa Kilometer 25) den Plan und folge schmaleren Wegen Richtung Dijon, das sich von hier aus wohl kaum noch verfehlen läßt.

Jakobsweg Ahuy Gedenktafel A tous les Francais

Am Liebsten mag ich die Passage mit dem “freien Universum”!

In Ahuy fällt mir erstmalig ein wirklich großartiges Schild auf, das bei vielen der Helden-Denkmäler angebracht ist.

Auf einer Nebenstraße, eher einem Wirtschaftsweg, erreiche ich bei etwa 28km den äußersten Rand des Speckgürtels und halte mich von nun an einfach Richtung Stadtmitte.
Das komische Gefühl im Kopf und das Ziehen im Schienbein werden stärker.
Verdammt, diese Symptomatik kenne ich doch aus dem letzten Jahr, das wird doch nicht…
Ich erreiche bald das geschäftige Stadtzentrum und drehe noch eine Runde, bevor ich das Hotel suche.
Die Fußgängerzone ist für meine der Zivilisation entwöhnten Sinne unverschämt, ja gar unerträglich bevölkert, aber irgendwie doch mitunter ganz malerisch.
Bald schon erahne ich, warum es hier doch so relativ ruhig ist: In der Stadt herrscht recht hohes Aufgebot martialisch ausgestatteter Polizisten. Gerade als ich einen Platz überqueren will, kommen dort drei Wasserwerfer nebst eines Zuges an intergalaktischen Sturmtruppen an.
Hier läuft irgendwas, und ich verstehe nicht, was. Also mache ich mich lieber aus dem Staub.
Denn die Jungs mit dem Vollkörper-Schutz sehen nicht so freundlich aus wie die deutschen Kollegen. Und wirken noch etwas wortkarger. Sehr schnell wird klar, wer hier jetzt das Hausrecht ausübt.
Nun gut, Dijon ist trotzdem eine nette Stadt…

Die an jeder Ecke präsente Polizei und das dumpfe Pochen in meinem Schienbein bringen mich nach einem kurzen Stempel-Besuch in der Kathedrale in mein leicht zu findendes und nettes Hotel in der Nähe der Église Notre-Dame de Dijon. Mitten in der Stadt und doch sehr ruhig.
Und für das Abendessen echt in der Pole-Position, denn die Markthalle mit reichhaltigem gastronomischem Angebot rundherum ist sehr gut zu erreichen.
Trotzdem wird es nur der dem Pizzaduft nach viel versprechende Italiener, und schon bald wird es mal wieder Nacht.
Nicht, ohne die Hitze im Schienbein zu bemerken.

Fazit des fünften Tages:
Endlich raus aus den endlosen Wäldern und wieder in der Zivilisation!
Keine sonderlich aufregende Etappe mit eher mäßigem, recht kühlem Wetter. Aber immerhin mal wieder nicht naß geworden!
Die letzte Etappe hat den Übergang in die Stadt eigentlich ganz gut gelöst und mich recht ruhig in die Mitte der pulsierenden Stadt gebracht.
Die Tagesetappe war gut machbar, der Körper scheint jetzt nach den etwas zähen Tagen trotz generell guten Gefühls doch ein wenig mucken zu wollen. Aber das ist in Ordnung, ab morgen geht es mit Infrastruktur eher genüßlich weiter!

2 Replies to “21.Tag: Tarsul – Dijon”

  1. Irena

    Hallo,Ich weiß nicht, ob der Blog noch aktuell ist, aber ich werde trotzdem schreiben. Ihre Art, jeden Reisetag auf humorvolle Art zu erzählen, hat mir sehr gut gefallen.Im September bereite ich mich auf die zweite Etappe vor (Trier-Dijon )….bitte drück mir die daumen, dass es mir gelingt

    Antwort
    • Frank Author des Beitrags

      Guten Morgen,
      na klar ist der Blog noch aktiv!
      Leider komme ich aufgrund Coronagedöns und privater Herausforderungen weder beim Schreiben noch beim Wandern so voran, wie ich das gerne täte.
      Das letzte Stück bis zur spanischen Grenze will noch geschrieben werden. Und der Weg ab da gegangen.
      Trier-Dijon ist ein sehr schönes, uriges Stück, teilweise aber infrastrukturell nicht ganz leicht. Platz für großes Kino!
      Bon chemin!

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert