63. Tag: Lareulle – Maslacq

Sonntag, 6. Oktober 2019
Strecke: 26,6km – Etappe: 194,4km – Gesamt: 1.850,9km
Gehzeit: 6:45 brutto / 5:30 netto.

Über Nacht hat sich die Symptomatik am linken Bein stabilisiert, ergänzt durch leichte Mattigkeit. Aber da hilft jammern hier und heute noch ein wenig weniger als sonst. Klar ist: Hier gibt es heute keine Hilfe. Also weiter in Richtung des nächsten größeren Ortes! Gepäcktransport entfällt heute, denn wir wissen nicht, wann und wo wir enden werden.

Dennoch stehen wir um halb neun nach einem ganz ordentlichen Frühstück vor der Tür, wo uns der Tag etwas unentschlossen empfängt. Na, dann mal los.
Schnell sind wir in den Feldern, durch die es die ersten 12 km fast eben geht, unterbrochen durch einige kürzere herzhafte Auf- und Abstiege. Die wenigen kleinen Dörfer überraschen natürlich nicht mit einem Arzt oder einer Apotheke.

Um die Mittagszeit wird es dunkler und fängt an, zu nieseln. Das hebt natürlich die Stimmung enorm, denn unter der warmen Regenhose hämmert der Muskel vor dem linken Schienbein noch heftiger und die Bewegung wird etwas schwergängiger. Wir erreichen wirklich mühsam Arthez-de-Bearn und steuern das einzige dort offene Café an, um uns über die medizinischen und logistischen Möglichkeiten zu informieren.
Die Pause tut sehr gut, aber das Ergebnis ist inhaltlich äußerst ernüchternd:
Es gibt im Ort zwar eine Apotheke, aber keinen Arzt. Das einzige, was eventuell gehen könnte, ist die Notaufnahme im Krankenhaus der nächsten Stadt, Orthez. Sonntags gibt es keinen Bus. Einfach gar keinen. Und, wie wir bei einem Anruf aus erster Hand erfahren, macht der einzige Taxifahrer am Ort sonntags grundsätzlich auch keine Fahrten.
Nach Orthez zu laufen ist auch keine Alternative, das ist zu weit. Also machen wir mit etwas Glück eine Unterkunft entlang des Weges in Maslacq klar, etwa 10km weiter. Dort soll es angeblich auch einen niedergelassenen Arzt geben. Und es liegt an der Straße Richtung Orthez.
Die nun folgenden 10 km sind nicht lustig, auch, wenn sich das Wetter wieder etwas aufhellt.
Wir erreichen nach insgesamt gut 26km unsere Gite (Ich nenne hier mal namentlich die Gite Méziat), nicht, ohne zuvor noch ein Stück die Strasse weiter gegangen zu sein und dort erfahren zu haben, dass sich der niedergelassene Arzt ohne Nachfolger zur Ruhe gesetzt hat.
Aber dann geschieht eines dieser Wunder auf dem Weg!
Die Betreiber der Gite sind selbst leidenschaftliche Wanderer, und nach Rat gefragt, fackeln sie nicht lange: “Bitte duscht Euch kurz. Wir machen uns fertig und holen Euch in einer halben Stunde ab. Wir fahren in die Notaufnahme nach Orthez!”. Dennoch gibt es in der Gite ein klares Regiment in Bezug auf Schuhe und Gepäck. Die bleiben im Schuppen, einfach, um Bettwanzen auf Distanz zu halten.

Verzichtbares Souvenir. Aber hilfreich.

So geschieht es, und so liege ich etwas mehr als eineinhalb Stunden später zur Untersuchung in der Notaufnahme. Wenig begeistert untersucht eine Hilfskraft meine Füße, und dann kommt ein freundlicher Arzt, der meinem Bericht zu vorherigen Erfahrungen anhört und zu einem schnellen Ergebnis kommt: “Ja, Sie brauchen ein Antibiotikum, und das verschreibe ich Ihnen natürlich. Wahrscheinlich hat es keinen Sinn, Ihnen zu sagen, dass sie jetzt nicht weiter laufen dürfen. Also passen Sie gut auf sich auf! Bon chémin!”
Bezahlen darf ich mit Karte, und unsere Wirtsleute fahren mit uns noch an der geöffneten Apotheke vorbei.
Danke, liebes Universum!
Wieder zurück in der Unterkunft wärmen wir uns das – ebenfalls von den Betreibern der Gite bereitgestellte – Abendessen auf und über die erste Dosis Antibiotikum wird es recht schnell dunkel.

Fazit des Tages:
Der Weg regelt das! Auch sonntagnachmittags! Danke an zwei großartige Menschen!
Nachdem mich dieses Problem nun schon zum dritten Mal ereilt und droht, mich zum Abbruch der Reise zu zwingen, habe ich da wohl ernsthafte Hausaufgaben!
Und: Wenn’s weh tut, sieht man auch nix von der Landschaft. Wenngleich ich den Verdacht habe, dass es an dem Tag auch nicht so viel zu sehen gab.

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