18.Tag: Bourbonne-les-Bains – Langres

Dienstag, 13. Oktober 2015
Strecke: 45,6km – Etappe: 86,4km – Gesamt: 600,7km
Gehzeit: 10:15 brutto / 8:30 netto

Bei dem Plan für den heutigen Tag erübrigt sich die Frage nach der charakterlichen Positionierung gegenüber dem Weckerklingeln.
Die Nacht war ruhig, und so ist das Problem mit dem Aufstehen wesentlich kleiner als erwartet. Auch keine Schmerzen. Bin ich etwa schon tot??
Das Frühstück ist nett, aber wir halten uns nicht allzu lange damit auf. Mitzunehmen gibt es nicht viel, aber das macht auch nichts, denn der Weg führt uns unmittelbar durch eine Einkaufsstraße.
Da sind die einschlägigen Geschäfte auch um 8:30 schon geöffnet als wir unseren Weg antreten.
Karl ist eher der frühe Vogel, aber ich komme auf den ersten Kilometern doch irgendwie hinterher.
Wir haben uns auf den ersten Stunden gegen die ausgeschilderte und im Pilgerführer beschriebene Route entschieden, denn Umweg und Aussicht schienen uns in keinem Verhältnis zu stehen. Lieber wollten wir durch ein paar morgentliche Höhenmeter einige Kilometer abkürzen.
Wir laufen also ziemlich bald auf verkehrsbefreiten Straßen durch den morgendlichen Nebelwald zuerst bergauf und dann wieder bergab (klar, der nächste Ort heißt Coiffy-les-Bas, das sollte man im Tal erwarten). Bei etwa 7km endet der Wald unerwartet und öffnet den Blick auf ein nettes Tal.

Schon bald durchqueren wir Coiffy-les-Bas, einen für die Gegend relativ typischen, verschlafenen Weiler; die Namen der Orte haben wahrscheinlich meist mehr Buchstaben als diese Einwohner.

Jakobsweg Impression Coiffy les Bas

Der legendäre Cruising Strip von Coiffy-les-Bas

Coiffy-les-bas wird gerade vom Postboten aufgeweckt, der vor jedem Haus hupt um sich anzukündigen.
Es geht ruhig und ohne navigatorische Schwierigkeiten weiter, und schon bald erreichen wir – bei etwa 13km – in Varennes sur Amace die planmäßige Wegführung wieder.
Die führt uns wie die ganze Zeit schon über offizielle, praktisch nicht befahrene Straßen durch die nächsten Orte.
Die Landschaft präsentiert sich selbstähnlich vorweigend als fruchtbares Weideland.

Der Nebel hat sich verzogen, die Sonne kommt immer mal wieder raus und lullt uns mit netten Farbenspielen ein.
Meine Routenplanung scheint perfekt, und so kommt es bie Kilometer 26,5 kurz nach Plesnoy zu einem absolut fatalen Navigationsfehler.
Was auf der Karte während der Planung und auch jetzt im Track wie ein absolut harmloses 150-Meter-Stückchen Wald aussieht, ist ein matschiger Aufstieg ohne Pfad und Weg, gesäumt von Dornenhecken. Absolut unwegsam und ein echter Fehler.
Wir machen’s trotzdem, denn das Motto des Tages lautet “geradeaus wenn’s irgendwie geht”. Und durch die – mitunter auch mit Bullen und Stieren besetzten – Weiden gehen kaum Wege, die als Alternative in Frage kämen.
Völlig abgekämpft und naßgeschwitzt oben im Wald angekommen, unterhalten wir uns kurz über unser intellektuelles Vollversagen – so etwas kann ja auch mal schief gehen. Glück gehabt!
Also: Vorsicht in der Ecke! Plant Euren Track um die Stelle herum!
Oben empfängt uns ein Feld mit Wintersaat und der erwarteten Straße in Sichtweite.
Und es wird kurz wieder neblig und windig.
Auf etwas verschlungenen aber gut zu findenden und beschilderten Wegen erreichen wir Orbigny-au-Mont und Orbigny-au-Val, und damit hat es sich mit dem Auf und Ab für heute erst mal.
Etwa bei Kilometer 33 biegen wir in Richtung des Liez-Sees ab, auf spätnachmittägliches See-Panorama hoffend.

Der See läßt sich allerdings eine ganze Weile feiern, bis wir durch das Gebüsch einen ersten Blick auf ihn erhaschen können.
Ein besonderes navigatorisches Glanzlicht ist die völlig sinnlose Schleife zwischen Kilometer 34,5 und 35,4. Einen Kilometer durchs Gehölz laufen um netto knapp 60 Meter – von einer Seite der mit Stacheldraht eingezäunten Weide zur anderen – zurückzulegen. Nun gut, nach dem fatalen Navigationsfehler hatten wir beschlossen, keine Risiken mehr einzugehen…
Vom See ist nach wie vor nichts zu sehen, denn das Ufer ist dicht bewaldet. So werden wir immer schneller bis wir etwa bei Kilometer 38 die Freizeit-Infrastruktur des Sees erreichen.

Jakobsweg Liezsee Panorama

Blick zurück auf den Liezsee.

Auch hier ist der Ausblick eher schlicht, denn die Sonne ist weg und der See hat ziemlich Niedrigwasser.
Bei knapp 39 Kilometern erreichen wir endlich die Staumauer.
Wir hatten eigentlich gehofft, daß der See der Höhepunkt des Tages würde, aber der Weg hat sich wirklich nicht gelohnt.
Wir machen eine kurze Pause und blicken nach vorne auf das Tagesziel.

Jakobsweg Blick nach Langres

Auf dem nächsten Hügel: Langres

Davon trennen uns noch etwa 4km, aber da ist noch ein Tal dazwischen.
Wir machen uns auf den Weg und kommen bis in die Talsohle wirklich gut voran, obwohl es uns beiden eigentlich schon an der Staumauer gereicht hätte.
Der praktisch völlig gerade Anstieg von etwa 100 Höhenmetern auf nur zwei Kilometern zieht uns dann aber wirklich die Kraft aus den Knochen.
Wann hat es eigentlich auch noch angefangen zu Nieseln?
Und so langsam dämmert’s auch.
Wir erreichen endlich eines der Stadttore.

Jakobsweg Langres Stadttor

Langres. Endlich!

Die Stadt soll eine der 50 schönsten in Frankreich sein, aber dafür haben wir heute keine Augen mehr. Jetzt zählt nur noch Infrastruktur!
Die Erbauer von Langres haben die Stadt zur Verteidigung optimal aufgebaut: Total unübersichtlich und verwirrend.
Dennoch finden wir die Fußgängerzone und in ihr ein Hotel mit akzeptablem Preis. Es gibt ein Zimmer mit zwei Schlafzimmern und gemeinsamem Bad.
Gemacht, das kriegen wir hin!

Der Abend endet nach der Dusche bei einem guten Pseudo-Italiener mit einer großzügigen Pizza.
Danach wird’s ziemlich schnell dunkel…

Fazit des zweiten Tages:
Gemeinsam ist es unterwegs auch ganz nett!
Die Etappe war ganz hart an der Grenze dessen, was ich leisten konnte. Konzentration, Kraft, Ausdauer und Füße geben wirklich nicht viel mehr her! Hoffentlich kann ich mich morgen noch rühren!
Und: So gut die Navigation auch scheint, ihr nie blind vertrauen! Immer Augen auf vor Ort und Mut zur Improvisation!
Nun gut, damit hat diese Etappe auch ihren groben Navigationsfehler. Das muß wohl einfach ein Mal pro Urlaub sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert