Mittwoch, 11. Oktober 2017
Strecke: 27,8km – Etappe: 222,3km – Gesamt: 1.288,9km
Gehzeit: 8:45 brutto / 6:15 netto.
Der Morgen beginnt sehr flauschig und ruhig mit einem Frühstück unter Geschäftsreisenden, die uns etwas verwundert mustern. Falls sie uns überhaupt wahrnehmen, denn Smartphones sind wichtiger als Menschen, die freundlich “Bonjour” sagen. Sind wir hier vielleicht doch bei den Men in Black gelandet? Es zuckt keiner, als wir unsere Brotdosen vom international recht ordentlichen Frühstücksbüffet füllen. Es begrüßt uns wieder ein strahlender Tag.
Wir haben keine superlange Etappe vor uns, und so lassen wir es gewohnt gemütlich angehen. Der Morgendunst hat sich schon lange verzogen.
Der Blick auf die Karte und aus dem Fenster zeigt uns, dass der Weg hier ganz in der Nähe vorbei geht, gleich auf der anderen Seite der Bahnlinie, wo sich die ersten fleißigen Gestalten den ersten Anstieg des Tages hochschaffen.
Es hilft nichts, es gibt keine Abkürzung, wir müssen zurück durch den Ort, über die Brücke, und schon bald erreichen wir diesen Punkt ebenfalls.
Nach etwa 2,5 Kilometern erreichen und überqueren wir die Autobahn, und als deren Lärm verklungen ist, verlassen wir die Zivilisation. Über die nächsten 12 Kilometer steigt der Weg beständig von etwa 1.020 Metern Meereshöhe auf etwa 1.250 an. Der Weg geht wie gewohnt durch Wald und Wiesen, bei bestem Wetter.
Etwa bei Kilometer 5 erreichen wir La Chaze de Peyre. Da gibt es nix. Aber ein kleines Mäuerchen um die Hosenbeine abzunehmen, denn es ist echt warm!
Nach diesem letzten Außenposten sozialer Zivilisation ändert sich der Eindruck der Landschaft. Es wird karger, die Weiden weitläufiger. Wir haben das Aubrac erreicht. Es geht aufwärts, bei Kilometer 7 grüßen uns noch einige Häuser (Lasbros) und dann biegen wir auf einem Wirtschaftsweg ab in eine offene Wildnis, die schlicht sprachlos macht.
Für die nächsten zehn Kilometer geht es bis zur maximalen Höhe von etwa 1.250 Metern stetig bergauf. Das ist nicht unangenehm, es scheint so richtig zu sein. Aber auch das Kaiserwetter bringt diese wilde, karge Landschaft nur schwach zum glänzen. Es bleibt eine harte Welt krasser Kontraste, in der wir heute zu Gast sein dürfen ohne von Wind und Wetter hinweggefegt zu werden. Die vielgerühmten Kühe sind überwiegend schon in den Winterquartieren. Menschen treffen wir selbstredend natürlich keine. Doch, einen, aber über den schreibe ich morgen.
Dieser höchste Punkt wird durch ein paar Steine markiert, die ganz klar zu groß und zu schwer für einen Dolmen waren, ansonsten würde das hier gut hinpassen. Zu sehen gibt es rundherum endlose Weite. Zeit für eine kurze Pause im Windschatten der Steine. Denn auch an einem extrem freundlichen Tag wie heute ist klar: Wenn hier Wetter kommt, meint es das wirklich ernst! Heute gab es nur freundlichen Rückenwind.
Es geht weiter, in Richtung einer Straße, die zumindest gelegentlich Zivilisation vermuten läßt. Aber dieser Eindruck ist wohl eher dem Wunsch nach einem Cappuccino geschuldet.
Von jetzt an geht es abwärts und wir erreichen um Kilometer 20 Rietourt. Natürlich gibt es hier keinen Kaffee. Dafür aber am Ortsausgang wieder ein Wahnsinns-Panorama durch eine der schönsten Strecken, die ich je gegangen bin. Vor uns eine weitere Gestalt mit Rucksack, die aber anderweitig abbiegt (später sehen wir ihn fernab auf einem der benachbarten Hügel stehen.) Die Kontraste der tiefblauen Wasseradern mit der versteppten Landschaft und den vernachlässigten und verwitterten Zäunen, Mauern und Felsen sind unerschöpfliche Motive. Und da müßt Ihr jetzt halt durch.
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, schält sich aus der Ödnis eine sehr gut restaurierte romanische Brücke heraus. Natürlich müssen wir die überqueren.
Nach diesem echten Höhepunkt kommt nicht mehr viel. Die letzten etwa fünf Kilometer geht es gemütlich nach Nasbinals hinab, durch den Ort hindurch und wieder einen halben Kilometer aus dem Ort hinaus ins extrem geschickt und zu spät gebuchte Hotel. Das mit der Ereignislosigkeit ist auch gut so, denn die Panorama-Synapsen am Sehnerv glühen.
In Nasbinals betreibt eine Familie (Bastide) praktisch alle Unterkünfte, Essen gibt es für alle – einen Großteil kennen wir aus Le Sauvage, wo waren die alle den ganzen Tag? – in der zentralen Kneipe. Die lokale Spezialität ist Aligot, ein Kartoffelbrei mit Frischkäse, dazu ein paar Stücke Fleisch und einen rasanten Roten. Erst jetzt merken wir, wie uns die Sonne heute geröstet und entwässert hat. Der Wein verschafft uns definitiv mehr als die nötige Bettschwere, dennoch bemerken wir auf dem Weg zurück in unser außenliegendes Quartier noch den ungetrübten Sternenhimmel fast ganz ohne Störlichter.
Und dann wird es wieder schnell Nacht…
Fazit des Tages:
Eine absolut atemberaubende Wanderetappe durch eine unvergleichliche Landschaft! Mehr davon!