32. Tag: Saint-Haon-le-Châtel – Saint-Maurice-sur-Loire

Montag, 17. Oktober 2016
Strecke: 22,4km – Etappe: 152,7km – Gesamt: 1.008,9km
Gehzeit: 7:15 brutto / 4:45 netto

Der morgendliche Blick aus dem Fenster mit der direkten, unverbauten Aussicht auf das Loire-Tal erinnert spontan an das Aufwachen im Schloß. Wir beginnen ihn mit Pascale ähnlich gemütlich wie wir den vorigen beendet haben – na gut, ohne die Flasche Wein. Heute aber wirklich gemütlich!

Wir lassen Pascale ein wenig herumtelefonieren und machen eine Unterkunft in Saint-Maurice-sur-Loire fest. Denn das wird dem Reisführer nach der letzte Außenposten der Zivilisation für eine ganze Weile sein. Keine 25 Kilometer, also lassen wir uns weiter Zeit. Immerhin kommen wir vor 11 auf die Straße.

Der Tag zeigt sich bewölkt aber zunächst trocken. Dunstig, so daß das Ende der Ebene kaum zu erahnen ist. Total unaufgeregt. Schon nach etwa 2km fällt der Weg rasch nach Renaison ab, wo wir problemlos unsere Vorräte auffüllen können. Es wird nieselig-feucht. Kein echter Regen, nicht wirklich unangenehm, aber dennoch schwer zu ignorieren.

Nach Renaison erklimmt der Weg den Kamm wieder rapide (etwa 70 Höhenmeter), geht dann ein Weile unentschlossen durch die Felder und erreicht Saint-André-d’Apchon. Der Ort wird schon bald in südlicher Richtung verlassen, es geht weiter durch leicht windige, etwas trübe Weiden um außenliegende Höfe. Zwischen Kilometer 7 und 8,5 folgen die anstrengendsten Höhenmeter des Tages – es sind nur etwa 150, aber sie bringen uns durchaus zum Schwitzen!

Genauso schnell fällt der Weg nach Saint-Alban-les-Eaux, das am Rande durchquert wird. Wir finden einen Platz zum Rasten bevor wir den Ort, eine alte Textilfabrik (?) umrundend wieder verlassen. Weiter geht’s durch Felder mit verstreuten Höfen stetig leicht bergab in das Flächendorf Lentigny, das wir bei Kilometer 15 erreichen.

Jakobsweg Loire Tal Nähe Lentigny

Gehen Sie weiter! Hier gibt’s nix zu sehen!

Tag und Weg plätschern so dahin, Gegend, Wetter und freilaufende Hunde zeigen sich allgemein träge und uninteressiert. Keine Menschen, keine spektakulären Aussichten, nicht warm, nicht kalt, feucht ohne echten Regen.

Jetzt, beim Schreiben des Reiseberichts habe ich die Strecke des Tages – ich muß es zugeben – praktisch vergessen. Ich glaube aber, ich hätte mich schon Abends kaum noch an etwas erinnern können. Das Wetter tut ein Übriges, keine besonderen Eindrücke zu bieten. Es regnet nicht, aber trotzdem schlägt das allgemeine Gefühl langsam Richtung “kalt und etwas klamm” um.

Wir haben heute getrödelt, also sind wir relativ spät dran als Saint-Jean-Saint-Maurice in Sicht kommt.

Jakobsweg Saint Jean Ortseingang

Erster Blick auf Saint Jean.

Ein Ort, der auf der Karte praktisch komplett unter seinem ausgeschriebenen Namen verschwindet.
Über dem Dorfplatz erhebt sich stolz und gut restauriert die alte Kirche von Saint Jean. Sie steht komplett frei und verspricht gut restauriertes Altertum.

Pustekuchen! Das Gebäude ist noch keine 200 Jahre alt! Es wurde lediglich – für französische Architektur völlig untypisch – extrem gut in die Umgegend eingepasst. Wie wir später am Tag sehen werden, ist die Kirche nach dem Vorbild des mittelalterlichen Nachbarortes gestaltet. Der etwas modernere Innenraum bietet einen interessanten Kontrast zur äußeren Erscheinung.

Aus der Kirche heraus fällt unser Blick auf die Pizzeria direkt gegenüber. Es ist noch nicht mal ganz sechs Uhr und trotzdem ist schon reger Betrieb. Sonst sieht der Ort eher trist und leer aus.

Wir richten an den Kellner zwei Fragen. Erstens, in welche Richtung liegt unsere Unterkunft? Zweitens, wie lange ist der Laden hier heute Abend auf?

Gut, daß wir vor allem diese Frage gestellt haben! Ungläubig fragen wir nach, an einen Hörfehler glaubend. Aber nein, es ist sein Ernst. Die Pizzeria SCHLIESST um 7 Uhr abends! Und nein, sonst gibt es hier in der Nähe eigentlich kein weiteres Restaurant, das zuverlässig jeden Tag geöffnet hat.

Wir erfahren aber weiterhin, daß das Gästezimmer in allerhöchstens zehn Minuten zu Fuß zu erreichen sein sollte. Und so sitzen wir um kurz nach sechs in der Nähe des wärmenden Holzofen-Pizza-Feuers bei einem freundlichen Roten und unentschlossen fadem Wasser.
Die Pizza kommt prompt und ist sehr gut, der Salat-Teil der Bestellung geht in der Eile des durch uns bedrohten pünktlichen Feierabends unter. Es reicht noch für einen Espresso, und um kurz vor 7 raffen wir unsere Siebensachen zusammen und machen uns auf den Weg in die Richtung, in der wir unsere Bleibe für die Nacht vermuten.

Das etwas hangabwärts liegende Saint-Maurice empfängt uns verwinkelt und verwirrend. Der Weg zu den wenigen Unterkünften scheint liebevoll ausgeschildert, wir umrunden die geschlossene Herberge, passieren ein, zwei geschlossene Restaurants, umrunden die etwas geduckte Kirche, erreichen einen Aussichtsplatz (natürlich ohne Aussicht), und die Wegweiser enden.
Nicht schlimm, denn vom Platz aus führt nur ein weiterer Weg in das Häusergewirr. Wir folgen ihm – und schon stehen wir wieder vor der Kirche, ohne ein Schild gesehen zu haben.

Wir wiederholen das Manöver noch vier (!) mal, mit abbiegen in alle erdenklichen Winkel und Gässchen, bevor ich ganz in der Nähe des Aussichtsplatzes ein kunstgeschmiedetes Gartentürchen wahrnehme, das auf die Gästezimmer hindeutet. Im angrenzenden Haus brennt Licht und wir betätigen den schweren Türklopfer. Hier sind wir richtig!

Wir sind die einzigen Gäste und bekommen direkt zur Begrüßung eröffnet, morgen früh müßten wir schon beizeiten aus dem Haus sein, man habe etwas in der nächsten Stadt zu erledigen. Die Gastgeberin führt uns auf die andere Seite des Weges in ein Haus, an dem wir zwei oder drei Mal vorbeigestreunert sind. Wir haben eine komplette Ferienwohnung, durch das alte Gemäuer etwas eigenwillig im Layout, aber durchaus nett.

Gegessen haben wir schon, also wird es nach einer warmen Dusche mal wieder schnell Nacht…

Fazit des Tages:

Eine Etappe, die eher die Länge als die Breite des endlos scheinenden Loire-Tals herausarbeitet, gelaufen an einem Tag, der durch fehlendes Klima und schlechte Sicht auch keine Abwechslung zu bieten hatte. Weitgehend entvölkerte Landschaft, die aber offensichtlich landwirtschaftlich genutzt wird. Nach den anstrengenden Etappen der letzten Tage war das eine gute Erholung. Und mit Blick auf die verkehrstechnischen Möglichkeiten an verschiedenen Ausstiegspunkten für diesen Abschnitt des Weges können wir es uns erlauben, mal einen Tag etwas langsamer zu machen. Denn den weiter entfernteren Punkt (Usson en Forez) werden wir ohnehin nicht mehr rechtzeitig erreichen können.

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