Samstag, 4. April 2015
Strecke: 22,8km – Etappe: 260,9km – Gesamt: 514,3km
Gehzeit: 6:00 brutto / 4:45 netto
Der Wecker…ach, der Wecker…
Wir kommen morgens recht gut raus, obwohl wir uns schon vorher klar darauf verständigt haben, daß das die lezte Etappe sein soll.
Zwar haben wir im Zweifel noch ein, zwei Tage mehr Zeit.
Aber nach dem angestrebten Etappenziel Contrexéville kommt lange, lange nix. Schon gar kein Bahnhof. Darüber hinaus laufen erschwert die Rückfahrt.
Und so ist irgendwie die Luft raus.
Also ab zum nächsten Bahnhof und nach Hause!
Die wortkarge Zimmerwirtin gibt uns noch ein ordentliches Stück Baguette mit auf den Weg.
Das Wetter macht schon morgens eher wenig Lust auf mehr. Wenngleich es nicht regnet.
Lustig: Es regnet zunächst nicht wirklich dauernd, siehr aber überall so aus als hätte es gerade geregnet und wolle bald noch weiter regnen.
Der Weg steigt aus dem Ort hinaus sanft durch die Felder an. Wenig Wind, keine Blendung durch übermäßige Morgensonne. Es ist etwas frisch, aber wir werden schnell warm.
Nach etwa 2km erreichen wir ein kleines Wäldchen, hinter dem die Strecke in das nächste Tal fällt.
Richtung Darney-aux-Chênes gibt es noch einige tendenziell erfreuliche Aussichten.
So trotten wir Kilometer um Kilometer weiter durch die Felder, ab Darney-aux-Chênes geht es für die nächsten 14km tendenziell aufwärts, mit einigen Einkerbungen.
Bei etwa 8km erreichen wir Sandaucourt, in dem es ein Schloß zu sehen gibt. Und der Schloßherr sammelt dem Vernehmen und dem Reiseführer nach eifrig Oldtimer, die er im Hof zur Schau stellt.
Wir holen kurz Luft und es geht im leicht windigen Geniesel weiter durch die Felder.
Bei etwas mehr als 9km treffen wir auf die Autobahn (A31), an der wir uns ein Stück entlang halten müssen. Das folgende Wäldchen umgehen wir weil es sehr, sehr weich ausschaut und bei 11km finden wir einen Schuppen mit einem kleinen Dachüberstand, der vor dem Wetter schützt.
Kurz drauf erreichen wir Auzainvilliers und hangeln uns dort entlang der Straße (ohne Verkehr) wieder Richtung Autobahn.
In den Feldern rechts von uns versteckt sich ein aufgelassener (?) Militärflugplatz, dessen Einzäunung die Tristesse untermalt.
Bie etwas mehr als 14km beichte ich meinem Mitwanderer, daß der Weg durch den nun folgenden Wald weder aus dem Pilgerführer noch per Planung mit Satelittenbildern oder Karte so richtig klar auszumachen gewesen wäre.
Aber es hilft ja nix, also rein in die grüne Hölle!
Der GPS-Track ist überraschend gut und hilft an den Stellen, an denen die Wegweisung etwas unklar wirkt, gut weiter.
Allerdings ist der Wald sehr feucht und das spielt er auch mit einigen Pfaden extrem gut aus.
Weil der Wald aber auch sehr dicht ist und wir zudem im Schlamm recht frische Wildschweinspuren sehen, halten wir uns auf dem Pfad.
Na, sagen wir lieber, wir halten uns auf dem Pfuhl. Schon bald stecken wir wirklich knöcheltief im dünnflüssig-glitschigen Morast. So, wie man ihn ansonsten nur aus dem Wildschweingehege des Tierparks kennt.
Allerdings tröstet der Gedanke ungemein, daß das hier ja de Quellregion zahlreicher bekannter und international sehr geschätzter Mineralwässer (zum Beispiel Vittel und Contrex) ist. Edelmatsch sozusagen!
Das freut meines Genossen elastische Knie ungemein, zumal bei dem Geeiere auch seine Stöcke keinen rechten Halt finden.
Wir erreichen aber nach und nach auch wieder festere Wege und bei km19 den buchstäblichen Höhepunkt des Tages.
Der Weg stürzt sich auf einem Kilometer etwa 100 Höhenmeter zu den Lacs de la Folie. Eine echte Freude für die Gummiknie!
Zusätzlich ist auf der Kuppe der Wind zu spüren und auch der Regen gut zu sehen.
Wir finden noch eine Bank, auf der wir einen kräftigen Happen nehmen, bevor wir uns zu Tal stürzen.
An den Seen tobt im Sommer sicher allerfeinstes Kurpark-Leben mit Wasservögeln, Eis, Baden und was sonst noch so dazugehören mag.
Jetzt ist es einfach nur kalt-windig und regnet.
Die letzten zweieinhalb Kilometer bis zur Ortsmitte sind einfach nur die letzten zweieinhalb Kilometer bis zum Ende. Grau, regnerisch, kalt.
Jetzt ist es einfach genug und wir möchten jetzt bitte wieder heim.
Die Hauptstraße von Contrexéville hat sich noch nicht so recht für die Kurgäste herausgeputzt. Im Zentrum ist das Leben auch noch recht schmucklos und unmalerisch.
In der Nähe finden wir ein offenes Touristenbüro und holen uns unseren letzten Stempel. Nein, viele Pilger habe man hier dieses Jahr wahrlich noch nicht gesehen.
Weil es ja immerhin sein könnte, daß gleich ein Zug fahren könnte, laufen wir fix zum Bahnhof um die Lage vor Ort zu prüfen.
Es fährt ein Zug, und wie wir herausfinden, hätte es unserer sein können.
So haben wir immerhin noch fast zwei Stunden Zeit, den Fahrkarten-Automaten, mit denen auch die Muttersprachler offensichltiche Schwierigkeiten haben, zwei Fahrkarten abzutrotzen.
Unser Plan reicht an dieser Stelle bis Nancy, weitere sichere Informationen sind vor Ort ebenso wenig zu bekommen wie ein Bahnticket nach Deutschland.
Der Bahnhof ist nicht allzu einladend.
Aber wir finden ein kleines Casino (nehmt nicht den Prunk, sondern das Glücksspiel als Anhalt), in dem man uns neben Kaffee nach einigen flehentlichen Blicken und Verhandlungen auch ein Baguette aus dem Nachbar-Bistro organisieren kann. Die machen sowas normalerweise auch nicht.
Die gute Stunde vergeht müde und mit Rückblicken auf die vergangene Tour.
Männer können das ohne viel Reden…
Fazit des neunten Tages:
Es gibt schlechtes Wetter. Und dieser Tag war von der Strecke her und mit etwas mehr als 22km eigentlich ganz nett.
Oder hätte das sein können, wenn das Wetter uns vielleicht nochmal ein Geschenk gemacht hätte.
So war es einfach der letzte Tag, durch den wir uns durchgebissen haben um unser Ziel zu erreichen und nach Hause zu kommen.
Auch das gehört dazu.
Und wir sind müde, erschöpft, aber dann am Ende doch gesund und ohne große Zipperlein.
Also ist’s wieder mal gut gegangen!