48. Tag: Livinhac-le-Haut – La Cassagnole

Freitag, 5. Oktober 2018
Strecke: 29,1km – Etappe: 103,6km – Gesamt: 1.436,2km
Gehzeit: 9:15 brutto / 6:45 netto.

Die Nacht war ruhig, und wir beginnen den Tag recht gemütlich. Das liegt vor allem daran, dass wir die einzigen Gäste sind und der Besitzer der Bio-Gite noch einige Zeit darin investiert, uns sein Konzept näher vorzustellen und sich über die Sturheit der älteren Dorfbevölkerung zu echauffieren, die ihn mit seinen neumodischen Ideen hier wohl bislang ziemlich auflaufen ließ. “Mit den Jungen reden, was im Ort geschehen soll. Das wär’ ja noch schöner!”

Wir reissen uns schließlich los, nachdem wir die per iPad präsentierte Rechnung beglichen, noch eine freundliche Empfehlung für die Unterkunft der nächsten Nacht sowie das Versprechen, dort anzurufen und alles klar zu machen und eine Tafel Bio-Schololade entgegengenommen haben.
Am Wetter gibt’s wieder nichts auszusetzen. Und so geht’s um kurz nach Neun dann also tatsächlich und wirklich los.
Obwohl Livinhac “le haut” im Namen hatte, geht es direkt nach dem Ort recht knackig auf etwa zwei Kilometern 140 Höhenmeter hoch, die nächsten 60 Meter folgen bis Kilometer 5.

Die Landschaft bietet vor allem Weite und Einsamkeit zwischen großzügigen Weiden.

Mit Montredon erreichen wir eine der wenigen Ortschaften des Tages. Da gibt’s aber ausser praller Sonne kaum etwas zu sehen.
Es zeichnet sich schon bald ab, dass der Tag wirklich hart wird. Denn meine Begleitung hat mit ihren Ersatzschuhen zu kämpfen. Die Dämpfung und Sohle im Fersenbereich sind der Belastung durch das lange Laufen mit Gepäck definitiv nicht mehr gewachsen, an den Fußzehen reibt und drückt es aber am meisten.  Die Achillessehnen fangen auch zu schmerzen an.
Hier in der Einsamkeit lässt sich dagegen leider ausser Blasenpflastern, vielen Pausen und ein wenig Entlastung im Gepäck nichts machen. Dumm an der Sache ist, dass das Blasenpflaster den geschwollenen Zehen im Schuh dann auch noch irgendwie im Weg ist, obwohl der Schuh eigentlich zu weit schien. Und so geht es langsam weiter. Ziemlich langsam.
Die Probleme übersteuern die Eindrücke der an sich ganz schönen Landschaft.
Es geht die nächsten 7,5km sanft abwärts, danach steigt der Weg ebenso sanft auf die nächste Causse – wie die langen Wellen hier genannt werden – an.

Ab etwa Kilometer 20 liegen die Nerven ziemlich blank. Da stürzt sich der Weg glücklicherweise sehr entschlossen nach Figeac.
Das könnte eine herrliche Altstadt sein. Aber wir haben nur Augen für die nächste Apotheke. Dort erstehen wir Silikon-Einlagen und Schmerzcreme.
Und weil es schon relativ spät ist und wir noch gut sechs Kilometer – so ganz genau wissen wir es nicht – vor uns haben, verzichten wir auf den touristischen Teil. Schade eigentlich, aber nicht zu ändern. Auch, wenn wir die Unterkunft der Nacht absagen und uns hier irgendetwas suchen würden, wäre mit Touristik nix mehr drin.
Also weiter, zunächst am Fluß entlang, und dann, etwa bei Kilometer 26 genauso entschlossen wieder hoch wie es vorher runter ging.
Die Sonne beginnt schon deutlich zu sinken, als wir uns über kleine Nebensträßchen weiter vorantasten.
Endlich erreichen wir das Relais Saint Jacques direkt am Weg.
Dort sind wir die einzigen Gäste. Das fühlt sich etwas seltsam an, denn die Gite ist für gut 15 Gäste und ein Leben eher im Freien ausgelegt.
Ich habe keine Ahnung, was der Wirt der letzten Nacht über uns erzählt hat, aber was nun kommt, ist einfach eines der Erlebnisse, wie sie der Weg immer dann bereithält, wenn man es mal brauchen kann:
Nach einer eher rustikalen Dusche und der Auswahl der Schlafplätze – hier kommt erstmals das Spray zur Abwehr von Bettwanzen zum Einsatz, sicher ist sicher – werden wir von der Tochter des Hauses in die große Küche gebeten um mit der Familie zu essen.
Es gibt die zwischenzeitlich gewohnte Gemüsesuppe aus dem eigenen Garten, danach, festhalten, knusprige Entenstückchen (“Heute ist unsere Tochter da, und besondere Gäste.”), Wein satt und noch ein leckeres Dessert. Jesus, so der Name des langbärtigen Hausherrn erzählt uns die Geschichte seiner Jakobswege. Der eigene Schmerz geht langsam vergessen, und so wird es wieder recht schnell Nacht…

Fazit des Tages:

Gute Schuhe sind das A und O. Auch, wenn es im Mittelalter keine gab und die Pilger trotzdem geströmt sind. Heute stand das reine Vorwärtskommen dermassen im Vordergrund, dass wir unterwegs sicherlich vieles nicht gesehen haben.
Das müssen wir dringend in den Griff kriegen, bevor es ungesund wird!

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