Dienstag, 10. Oktober 2017
Strecke: 30,2km – Etappe: 194,5km – Gesamt: 1.261,1km
Gehzeit: 9:15 brutto / 6:45 netto.
Trotz des erstmaligen Erlebnisses, das Zimmer gleich mit mehreren Anderen zu teilen, war die Nacht ruhig. Beim Aufstehen, Frühstücken und Fertigmachen fragen wir uns allerdings, ob wir etwas Wichtiges verpasst haben. Warum sind die alle auf der Flucht? Laufen die vielleicht sogar vor uns weg?
Schon um viertel vor Neun starte ich die Elektrik und wir machen uns auf den noch deutlich morgenfrischen Weg.
- Le Sauvage mit Teich am Morgen
- Le Sauvage am Morgen
- Le Sauvage: Ausblick
Der Aufbruch fällt wirklich schwer, denn die Ruhe und die Aussicht um das Gehöft sind schlichtweg herrlich. Dennoch reissen wir uns los. Und steigen zum Aufwärmen erst Mal einige Meter im Wald. Schon nach knapp zwei Kilometern haben wir den Höhepunkt des Tages (etwa 1.330 Meter über Null) erreicht und wenden uns einem sonnigen Tag zu. Kurz darauf kommen wir an einer Heilquelle vorbei, die schwache Pilger von allerlei Gebrechen zu heilen verspricht. Bequem geht es die nächsten zehn Kilometer abwärts bis Saint Alban sur Limagnole.
- Universelle Heilquelle am Wegesrand
- Einsam geht es abwärts Richtung Zivilsation.
Obwohl der Horizont recht weit ist, ist dort niemand zu sehen. Natürlich sind auf den weicheren Stellen wieder die Spuren von Jorges Trolley zu sehen.
Der Weg umgeht die Siedlungen, und auch der Weg durch Saint Alban sur Limagnole fühlt sich so an als wolle uns der Ort nicht rein lassen. Ein trostloses Klinikgelände verbreitet nicht gerade Hochstimmung. Aber das Bild ändert sich, als wir das kleine, alte Zentrum der Kleinstadt erreichen. Da sind sie alle wieder, auf dem sonnigen, windgeschützten Platz mit dem einzigen offenen Café des Tages. Wir sind offensichtlich spät, denn es stehen einige leere Tassen auf den Tischen und wir finden problemlos einen Platz zum Sitzen und Essen, und danach auch im Café.
- Morbide Impression vom Dorfplatz
- Außenansicht der Kirche
- Das Innere der Kirche ist überaschend hell!
- Und auch hier haben es die Scheiben recht gut durch die Zeiten geschafft.
Die Kirche ist zwar uralt und hat sicher eine lange Tradition. Die hat aber gegen den herrlichen Sonnenschein vor der Tür keine Chance. Durch die recht kurze Pause können wir uns von der auch tagsüber recht lauten Gruppe des letzten Abendessens absetzen.
Kurz nach dem Ortsausgang von Saint Alban erreichen wir den Tiefpunkt des Tages (etwa 950 Meter über Null). Über einige kleinere Hügel wendet sich der Weg Richtung Süden und erreicht etwa bei Kilometer 15 Chabanes. Hier sehen wir vor uns erstmalig einen riesigen, dennoch übervollen Rucksack mit zwei hageren Beinen darunter eilig vor uns her stapfen. Er biegt vor uns in einen kleinen Weg ein, bevor wir ihn nach dem woher und wohin fragen können. Wir folgen ihm nicht, denn er nimmt offensichtlich nicht unseren Weg.
Es geht weiter, immer weiter, durch die etwas ausgezehrt wirkende Landschaft. Um Kilometer 21 erreichen wir mit Les Estrets einen weiteren Tiefpunkt, und dort nutzen wir eine sonnige Mauer in der Nähe der Kirche für eine Verpflegungspause. Was? Erst 20km? Die Strecke zieht sich heute aber ein wenig! Zumal es ab jetzt wieder recht beständig aufwärts geht. Schon recht früh werden die Schatten wieder merklich länger. Ohne weitere Auffälligkeiten (außer einem Aussichtspunkt ohne Aussicht weil die umgebenden Bäume höher als die Plattform waren – nun gut, wenn dort jeder tut, was ich dort tat, ist der starke Wuchs der Bäume erklärlich…) erreichen wir etwa bei Kilometer 28 Aumont Aubrac, das uns mit einigen Schildern von Wirtschaften und Herbergen begrüßt.
Schon am Morgen haben wir uns aber für das einzige Hotel am Platze entschieden, denn die Herbergen waren nicht zu erreichen. Das liegt einen guten Kilometer weiter, am anderen Ende des Ortes. Na gut, dann haben wir zumindest die gastronomischen Angebote en passant begutachtet. Das ist übersichtlich.
Das Hotel ist verdächtig: Vor der Tür eine Ladestation für kalifornische Elektroautos, drinnen im Foyer weicher Teppich und die Kunststoff-Eier der Men in Black.
Die Rezeptionistin wirkt jedoch durchaus irdisch und ist sichtlich überrascht, neben Geschäftsreisenden, die wohl von der nahen Autobahn kommen, auch mal Wanderer zu begrüßen. Das Zimmer ist, wie ein internationales Hotelzimmer nun mal ist, und das ist heute irgendwie gut. Warme Dusche, weiche Laken, langes Bett.
Das Hotelrestaurant ist allerdings auch, wie ein internationales Hotelrestaurant nun mal ist, also müssen wir nochmal vor die Tür.
Wir werden aber problemlos in einer kleinen Souterrain-Kneipe mit lokaler Kost aus biologischer Quelle fündig. Die dortigen Damen (ich würde mal sagen auch lokal und aus eher biologischer Quelle) sind sichtlich überrascht, doch Gäste zu haben. Aber sie schaffen es, den Koch zu motivieren, und so werden wir satt. Die Tiere hier sind wohl ähnlich zäh wie die Landschaft (nein, kein Kommentar zu den Wirtinnen). Das etwas intensivere Kauen intensiviert auch den Geschmack des nicht so ganz regionalen Rotweins, und so klingt der Tag ein wenig forsch aber doch ganz angenehm aus.
Zurück im ruhigen, zudem noch außerhalb des Ortes gelegenen Hotel wird es mal wieder schnell Nacht…
Fazit des Tages:
Die Margeride, soso. Eine absolut herrliche, aber schon recht derbe und einsame Landschaft, bei bestem Wetter. Hier ist unterwegs nicht so richtig viel, also muß man es entweder gemütlich angehen (und schon in der Hälfte einkehren) oder aber die Schuhe etwas länger anbehalten! Obwohl wir wissen, dass vergleichsweise viele Menschen hier unterwegs sind, haben wir sie in der Landschaft nur sehr vereinzelt getroffen. So kann das weitergehen!