36. Tag: Montarcher – St. Georges Lagricol

Donnerstag, 5. Oktober 2017
Strecke: 28,7km – Etappe: 57,5km – Gesamt: 1.124,1km
Gehzeit: 9:00 brutto / 6:30 netto

Die absolute Ruhe und Dunkelheit der Nacht wird jäh durch den Wecker aufgebrochen. Wir reiben uns den Schlaf aus den Augen und erkämpfen uns unser Frühstück mit dem, was wir in der Herberge so finden können. Viel ist’s nicht. Und wir brauchen eine Weile.

Montarcher Kreuz in der Sonne

Montarcher: Kreuz in der Sonne

Um neun empfängt uns ein strahlend sonniger Tag – mit Reif im Schatten. Na klar, wir waren auf etwa 1.000 Meter Höhe und die Nacht war sternenklar.

Der Weg steigt direkt hoch in den Ort nach Montarcher. Wir wissen nicht so recht, ob wir nun schwitzen oder frieren sollen; der Kreislauf kommt bergauf nur mühsam in Schwung. Aber schon nach einem Kilometer erreichen wir den Ort, der auch vom Panorama her ein Höhepunkt ist.

Von hier an geht es sonnig zunächst ein wenig bergab nach Le Crozet, dann durch den morgenfeuchten Wald nochmal ein kleines Stück bergauf, und von da an in der Sonne tendenziell bergab durch Felder und Wald. Wir versinken im Gedanken an das Laufen als solches, und so vergehen Strecke und Zeit sehr unbeschwert.
Auch, dass unsere Startvorräte zwischenzeitlich deutlich dezimiert sind, macht uns nur wenig Sorgen. Denn bei etwa Kilometer 12 erwartet uns Usson-en-Forez als kleine Stadt der Region sicher mit einem umfangreichen infrastrukturellen Angebot.
Wir erreichen die Stadt etwa um viertel nach zwölf. Der Empfang ist deutlich schlichter als erwartet. Die Karte und ein Schild sagen klar, wo ein Supermarkt zu erwarten sein könnte, und wir finden ihn auch problemlos auf direktem Weg. Gerade noch rechtzeitig, um der Jalousie beim Herunterfahren zuschauen zu können.
Na gut, man kann ja auch mal einen Tag von Obst und Müsliriegeln leben. Vielleicht haben wir in der Unterkunft heute Abend etwas mehr Glück. Von den Orten auf dem Weg ist jedenfalls nicht viel zu erwarten.
Auf dem Weg durch Usson-en-Forez machen wir noch einige kleine Schlenker und schauen um die eine oder andere Ecke, ob sich dahinter vielleicht noch eine geöffnete Bar oder ein kleines Geschäft versteckt haben könnten. Vergeblich.
Weiter geht es aus Usson heraus Richtung Süden, wir überqueren eine stillgelegte oder – so steht es im Reiseführer – zu musealen Zwecken betriebene rostige Bahnlinie, die die Landschaft modelleisenbahngleich durchteilt.

Die Wegweisung ist in Verbindung mit der GPX-Spur, die von der Webseite des Rother Reiseführers stammt, absolut eindeutig und unproblematisch, in der Sonne und tendenziell weiter bergab läuft es sich entspannt und vergleichsweise zügig. Bei Kilometer 17 durchqueren wir Jouanzeq, aber hier ist auch nichts zu holen.
Kurz darauf geht es durch ein Tal etwa 125 Höhenmeter runter nach Pontempeyrat (…) und auf der anderen Seite wieder hoch, bei Kilometer 20 wieder über die Bahnlinie weiter nach Orcerolles.

Stillgelegte (?) Bahnlinie in der Nähe von Orcerolles

Etwa bei Kilometer 22 überqueren wir die Bahnlinie zum letzten Mal, dieses Mal jedoch ohne Brücke.
Es geht weiter durch sonnige Felder und Weiden Richtung Süden, bis etwa bei Kilometer 25 der Weg in den Wald ansteigt. Nicht ernsthaft viel, aber doch merklich. In Verbindung mit der insgesamt eher zurückhaltenden Ernährung des Tages und des unerwartet kühlen Schattens zieht das kurz ein wenig an der Stimmung. Aber es kann nicht mehr so schrecklich weit sein bis zum Tagesziel.
Das liegt zwar nicht direkt auf dem Weg, aber die Karte zeigt recht klar, wie es zu erreichen ist.
An einem außenliegenden Hof, der schon aus der Ferne nach großen Hunden aussieht, fragen wir kurz nach dem Weg. Nicht den Hund, sondern seine Besitzerin. Die sagt “Weiß ich nix von, kann aber eigentlich nur mitten im Ort sein.”. Na, das macht Mut.
Wir erreichen den Ortskern von Saint-Georges-Lagricol und finden die Herberge. Die sieht aber tatsächlich nicht so aus als wäre sie bewirtschaftet. Der Zugang ist unklar. Abgeschlossen, keine Klingel.
Wir tapern weiter, eine wirklich genaue Adresse gibt es nicht und die moderne Elektronik ist dabei auch nicht sonderlich hilfreich. Weiter entlang der Hauptstrasse, wieder ein wenig Richtung Norden, wo Tante Google das Etablissement verortet. Etwa einen halben Kilometer später, wir verlassen gerade kopfschüttelnd die Ortschaft um die Straßen außerhalb abzusuchen, klappert ein angejahrtes weißes Auto (eines, dieser französischen Raum- und Stabilitätswunder) an uns vorbei, bremst und kommt zurück.
Es ist der Wirt, der sich schon fragte, ob wir uns verlaufen hätten. Wir steigen ein und fahren zurück, auf die Rückseite der Herberge.
Da ist am Ende einer originellen Außentreppe tatsächlich noch etwas offen. Ein kleiner Raum mit bis zu vier Schlafplätzen. Einmal-Bettwäsche hier im Regal. Das Essen mögen wir uns bitte in der Mikrowelle selbst aufwärmen, im Kühlschrank ist Dessert, hier, bitteschön, ein Gutschein für das Baguette in der Bäckerei morgen früh, bitte Geschirr spülen und die Tür einfach nur zumachen. Stempel, Bar zahlen, Bon Camino! Und weg ist der Wirt.
Das Geschirr spülen wir schon vor dem Essen, und wir vermeiden es, allzu intensiv in die Ecken zu schauen. Die Auswahl der Schlafplätze fällt leicht, denn die eine Matratze schaut von unten extrem fleckig aus; das andere Stockbett scheint in Ordnung.
Kurz drauf stellt sich heraus, dass das auf der Matratze keine Flecken, sondern Fliegen sind. Viele. Wir kriegen sie trotzdem fast alle vor die Tür bevor wir vorsichtig Duschen und uns dem Essen nähern. Außer, dass es halt aus der Mikrowelle ist, ist es aber in Ordnung, in Frische und Portion. Der Wein ist nicht besonders, beruhigt aber den Blick auf die eher ungepflegte und überteuerte Unterkunft etwas. Beruhigen. Es gibt heute keine Alternative!
Während ich den Herbergsschlafsack auf dem ganzen Weg bislang nie gebraucht hatte, bringt er mir auf diesem Abschnitt nun schon zum zweiten Mal ein Stück kuschelige Heimat.
Die Beleuchtung des Zimmers gibt und macht nicht viel her.
Und so wird es wieder mal schnell Nacht…

Fazit des Tages:

Sonnige Etappe durch eine Landschaft, durch die eine Modelleisenbahn fahren könnte. Gut zu laufen. Aber es deutet sich an, dass die Infrastruktur auf diesem Abschnitt des Weges doch etwas mehr Planung erfordert. Na, der Weg wird es schon für uns richten!

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