Samstag, 13. Oktober 2018
Strecke: 20,6km – Etappe: 290,3km – Gesamt: 1.622,9km
Gehzeit: 5:45 brutto / 4:30 netto.
Auch in Moissac möchte man uns beizeiten wieder vor der Tür haben. Aber das ist uns ganz Recht, denn der Tag soll mit einer Stadtführung beginnen. Die Sonne lacht in den Garten, und das Frühstück ist freundlich aber zügig.
So zügig, dass wir vor Beginn der Führung durch Kloster und Kirche noch einen kurzen Blick in die noch recht verlassene Einkaufsstrasse werfen können. Dort bietet die gegen den Nebel ankämpfende Sonne ein ganz interessantes Licht um das “Key Visual” der in Frankreich im Oktober laufenden Kampagne gegen Brustkrebs mannigfach in Szene zu setzen. Und da müßt Ihr jetzt durch!
Vor dem offiziellen Beginn der Führung streichen wir noch um den Haupteingang der Kirche und die dahinterliegenden Gebäude. Interessant ist an dieser Stelle, dass wir unsere Rucksäcke recht unbürokratisch im Toursimusbüro zurücklassen konnten – in Zeiten erhöhter Wachsamkeit in Frankreich keine Selbstverständlichkeit!
- Das Tympanon dieser Kriche stiftete Umberto Eco Inspiration für “Der Name der Rose”!
- Ein starker Kontrast – umso unverständlicher, wenn man auf den späteren Tag blickt…
- Altstadt-Gebäude in der Morgensonne…
Die Führung beginnt, und sofort erfahren wir, dass in Moissac der Dialog zwischen kirchlichem und weltlichen Leben besonders intensiv stattfand. Denn in der Vierung des Turms über dem Kircheneingang trafen regelmäßig Priester und Weltliche aufeinander. Im Kreuzgang gab es einen Brunnen, über dessen Wasser sich beide Parteien – symbolisch für den Geist der Aufklärung, auch vor deren eigentlicher Zeit – stritten. Denn der Brunnen lag auf kirchlichem Grund, aber das Wasser strömte zweifelsfrei von allen Seiten herbei…
Ein großer Teil der Führung entfällt freilich auf den Kreuzgang des Klosters, den größten erhaltenen romanischen Kreuzgang Frankreichs. Der wäre fast – unglaublich! – dem Bau der Eisenbahnlinie zum Opfer gefallen, und noch heute fahren direkt an der einen Wand hörbar die TGVs vorbei! Die Geschichte und Symbolik des Kreuzgangs komplett zu erläutern, sprengt hier ganz klar den Rahmen, Ihr müßt mit einigen Bildern vorlieb nehmen. Allein die Kapitel der Säulen erzählen lange Geschichten…
Es geht weiter in die Kirche, zum Tympanon und zum Haupteingang…
- Noch ein Blick von oben in das Hauptschiff der Kirche. Die Ziermalerei ist auch hier wieder gut zu sehen.
- Rekonstruktion einer mittelalterlichen Orgel.
- Ein Blick auf das zentrale Relief des Tympanons.
- Detail aus dem Tympanon.
- Letztlich doch alles ganz fruchtbar: Kapitell im Eingang.
- Eine Schlange am Kircheneingang? Ist das ein frühes Zeugnis von Wet-T-Shirt-Posings am nahen Brunnen?
- Der Dialog zwischen Weltlichem und Kirchlichem wurde auch in den Kapitellen der Säulen im Eingang reflektiert.
- Blick in den Innenraum der Kirche. Hier siehr man nochmal das gemalte Mauerwerk.
- Noch eine Holzskulptur, die es sehr gut durch die Zeit geschafft hat!
- Die Minen der drei sind abslout unglaublich!
- Nochmal ein Portrait des etwas unsicher dreinblickenden Joseph.
- Der Innenraum der Kirche wird sehr hell und aufgeräumt, bleibt aber etwas muffig!
- Das Ensemble hatten wir ja gestern schon, hier nochmal in seiner unglaublichen Gesamtheit!
Wir haben für diesen Besuch genug gesehen, und draußen ist zwischenzeitlich die Sonne ganz rausgekommen und hat den Tag etwas erwärmt.
In der Fußgängerzone ist nun etwas mehr los; die Regenschirme begleiten uns noch ein Stück auf unserem Weg.
Der führt ziemlich direkt an den Fluß, und dort den überwiegenden Teil der Etappe entlang.
Was überwiegend eher etwas monoton aussieht, ist (schaut man in der Karte drauf) wieder eines dieser Mysterien französischen Wasserbaus: Tarn und Garonne fließen zusammen, der Canal du Midi wird hier geführt und in der Nähe steht noch ein Atomkraftwerk, dessen Kühlwasserversorung durch einen zusätzlichen Kanal sichergestellt wird.
Also geht es bis Kilometer 14 flach und schattig immer am Wasser lang.
Bei Pommevic sind sowohl der Kühlwasserkanal als auch der Canal du Midi zu überqueren. Also machen wir in der Hoffnung auf einen Café einen Schlenker durch den Ort und stören die Besitzerin einer Bar und ihre Stammkunden mit etwas schlechtem Gewissen bei ihrem sonnigen Boule-Spiel. Wir überqueren das Wasser auf einer elend langen, hässlichen Strassenbrücke ohne nennenswerten Verkehr. Der Weg wird durch die vollkommen synthetisch gestaltete landwirtschaftliche Nutzfläche nach Espalais, den nächsten Ort geführt, den wir bei Kilometer 18 topfeben erreichen.
Nach dem Ort weist uns Jakobus persönlich in einer ansonsten seelenlosen Gegend an einem Kreisverkehr den Weg über die nächste Brücke (jetzt über die Garonne), und auf dem nächsten Hügel thront das Etappenziel Auvillar über dem Fluß.
- Espalais: Jakobus weist den Weg.
- Erster Blick auf Auvillar
Die Brücke selbst ist eine klassiche Stahl-Hängekontruktion, die ein Paar nette Perspektiven bietet. Davon gibt’s aber keine Bilder, denn meine geliebte Kamera hat einen Aussetzer beim Zugriff auf die Speicherkarte. Was bitte? Darf die das?!?
Der Aufsteig nach Auvillar ist kurz und steil, aber nur etwa 45 Höhenmeter.
Oben angekommen, tobt sofort die bildende Kunst des überregional bekannten Kunst- und Töpfermarktes. Dieses gesellschaftliche Großereignis hat es etwas schwierig gemacht, eine Bleibe für die Nacht zu finden. Der Suchkreis dorthin führt uns über den Markt, der um die Zeit aber schon ein wenig in Abbaustimmung ist.
- Auvillar: Dicke Füße!
- Auvillar: Blick auf die Brücke
- Auvillar: Da hat wohl Einen das Wandern inspiriert!
- Auvillar: Hand drauf: Etwas von Dir bleibt da!
Vom Töpfermarkt selbst gibt es keine Bilder, da hat die Kamera wieder gestreikt. Wäre aber auch schwer in Bilder zu fassen. Man sollte sich bloß keinen Steingut-Marktverkauf vorstellen. Eher ein Treffen von Künstlern, die ihre klassichen oder auch ziemlich exotischen Skulpturen irgendwo zwischen Einzelstück und Kleinserien-Manufaktur feilbieten. Das Publikum ist erstaunlich international, wir hören viel Englisch (eher amerikanisches), aber auch Spanisch.
Der Altstadt-Kern ist – vielleicht auch aufgrund des Marktes – auffallend sauber und aufgeräumt.
- Auvillar: Etwas morbid, aber herausgeputzt.
- Auvillar: Altstadt-Gasse
- Jakobus grüßt über unserer Unterkunft
Wir melden uns bei unserer Unterkunft und werden sehr interessant empfangen. Der Wirt ist ein deutscher Professor für Sozialwissenschaften (Tübingen) im Ruhestand. Das Eckhaus geht rein architektonisch über drei Gebäude und drei oder vier Stockwerke; entsprechend schwierig ist es, eine gerade Linie auszumachen.
Unser Zimmer liegt ganz oben unter dem Dach und ist eher mäßig ansprechend. Das einzige kleine Fenster in Fussbodenhöhe lässt sich kaum öffnen. Wollen wir eigentlich auch nicht, denn draussen auf dem Fenstersims steht eine große, nicht mehr ganz frische Wespenfalle. Alles wirkt zusammengestückelt und angejahrt. Es ist halt das, was wir im Angesicht des Töpfermarktes bekommen konnten.
Dafür ist der Wirt umso interessanter und herzlicher, ebenso seine Frau. Beide wollen aber abends noch weg, also fällt der Empfang eher kurz aus.
Wir duschen und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant zum Abendessen. Auch das natürlich aufgrund des Andrangs der Marktbesucher ein eher schwieriges Unterfangen.
Wir werden aber direkt ausserhalb des engeren Stadtkerns fündig. Pizza geht immer.
Auf dem Rückweg halten sich die Eindrücke durch die improvisiert zusammengeschnürten Marktstände in Grenzen; schwer, da irgendwie eine Perspektive oder eine Übersicht hinzukriegen.
Zwischenzeitlich weht ein kühler Wind durch die Gassen, und irgendwie sind wir auch schon früh müde.
Entsprechend schnell wird es wieder Nacht…
Fazit des Tages:
Relativ kurze, praktisch topfebene Etappe durch eine völlig von Menschenhand gestaltete Gegend. Sonnig, grün, viel Wasser, meist geradeaus, aber irgendwie etwas synthetisch.