Montag, 20. Oktober 2014
Strecke: 26,4km – Gesamt: 144,7km
Gehzeit: 7:00 brutto / 5:30 netto
Der Wecker klingelt natürlich wieder, aber ich komme heute etwas besser aus den Federn.
Wenngleich das Frühstück in der eine gefühlte Erdumrundung entfernten Fernfahrer-Gaststätte etwas unpraktisch ist, ist es doch in Ordnung. Aus der Kaffeetasse kommt mit leicht angebranntem Filterkaffee-Geschmack eine Faust, die mir ratzfatz den Schlaf aus dem Gesicht prügelt. Keiner schaut auch nur ansatzweise seltsam als ich meine Brotdose für den Tag fülle.
Und um neun stehe ich – noch etwas wackelig auf den Füßen – auf dem Parkplatz.
Die Füße haben sich über Nacht trotz frischer Luft nicht merklich erholt. Ich bleibe bei den Socken vom Vortag; das war für die Ferse eigentlich ganz gut. Und wer braucht schon kleine Fußzehen? – Der Messner kann’s ja auch ohne…
Ich darf mit den gestern Abend durch die Hotelwahl extra gewonnenen eineinhalb trostlosen Straßenkilometern zurück zum Jakobsweg eröffnen. Ziemlich schnell kann ich die gewohnte Geschwindigkeit aufnehmen und komme zurück “Downtown Rheinböllen”.
Der Ort ist zwar heute verkehrsreicher und etwas lebhafter aber kaum einladender.
Ich biege ortsauswärts ab und schon bald kommt der Geist der Römerstraße etwas klarer rüber. Es geht nämlich ziemlich geradeaus durch die Landschaft, meist auf Feldwegen, mal weich, mal hart und auch mal geschottert.
Zwischendrin ab und an ein Stückchen ordentlich aufgeräumter, gut begehbarer Herbstwald…
Die Aussicht ist irgendwie selbstähnlich, und so vergehen Zeit und Strecke.
- Einfach mal weiter…
- Blick zurück über Rheinböllen.
- Das meine ich mit “selbstähnlich”. Es ist nicht Rheinböllen. Ist es vielleicht Mutterscheid? Ich weiß es nicht mehr…
- Gut zu gehen, aber so ein perfekter Weg wirkt schon etwas steril..
Als ich irgendwann mal aus dem Wald komme und ein etwas lichteres Panorama sehe, traue ich meinen Augen kaum.
Bislang hatte ich nur immer mal wieder ein paar Windräder wahrgenommen.
Auf etwa 90° Blickwinkel bietet sich mir folgendes Bild:

Wer mutig zoomt und genau zählt, erkennt 62 Windräder am Horizont. Aber das sind noch nicht alle, denn der Weitwinkel packt nur etwa 45°…
Den nächsten Abschnitt bestimmen eher schwerlasttaugliche oder für eine Leitung frisch aufgegrabene Wege oder Ackerränder, die von Mäusen durchwühlt oder von Traktorspuren verwüstet sind. Ich muß mich etwas mehr auf’s Gehen konzentrieren um nicht zu stolpern.
Ist etwas anstrengender, macht aber den Kopf radikal frei.
Der Weg eckelt sich meist bergab um die Flurparzellen Richtung Simmern, das ich um die Mittagszeit erreiche.
Der Ort kommt ziemlich laut daher, denn der Weg wird konsequent (wahrscheinlich alternativlos) entlang der Hauptverkehrsstraße geführt.
Erst in der Fußgängerzone wird es wieder etwas ruhiger, und da bemerke ich, wie weit ich mich von der “echten” Welt schon entfernt habe:
Neben mir hält ein Liefer-Kombi, eine Frau steigt aus und hastet davon. Als ich sehe, daß das Auto am Berg beginnt, auf einen anderen Lieferwagen mit ausgeklappter Ladebühne zuzurollen, überlege ich tatsächlich kurz, ob mich das jetzt was angeht oder lieber eher doch nicht.
Ich beschließe “Ja”, rufe kurz und versuche, durch das runtergekurbelte Fenster an die Handbremse zu hechten. Klappt erst beim Nachgreifen, denn der Rucksack bremst im Fensterrahmen doch etwas…
Die Frau entlohnt mich mit einem “Danke – Se sinn enne Ängl.” und ich raste in der ruhigen (die Geschäfte haben über Mittag zu) Fußgängerzone.
Nach Simmern geht der Weg sehr lange in der Nähe einer Schnellstraße entlang und ich bin froh, der Wegweisung an Stelle des GPS-Tracks gefolgt zu sein. Denn die Wegweisung führt mich auf die luv-Seite der Straße und etwas weiter weg, so daß es nicht ganz so laut ist.
Der Weg schlängelt sich weiter durch die Felder, ein wenig bergauf, bergab, ab und an durch kleine Waldstücke.
Es gibt sogar mal ein paar Rehe zu sehen, aber die haben nicht mit mir gerechnet und sehr schnell das Weite gesucht.
Und schon ziemlich früh erreiche ich Kirchberg, die älteste Stadt im Hunsrück.
Da geht es recht ruhig zu, und ich finde problemlos ein Zimmer mittendrin.
Ungewohnt früh und recht entspannt weiß ich zunächst gar nicht so recht, was ich anfangen soll.
Aber als ich mich nach dem Duschen kurz aufs Bett lege, klärt sich das schnell…
Das Abendessen nehme ich im Haus, denn das verspricht “Hunsrücker Spezialitäten”. Das klingt nach großen Portionen, außer beim Bier. Na gut, dann trinke ich halt eins mehr.
Und Schwupps!, ist es wieder Nacht!
Fazit des vierten Tages:
Ein ruhiger Tag mit nicht ganz so vielen Kilometern.
Aber am Ende auch nicht wirklich erholsam.
Auf der Karte sah es mir so aus als käme nach Kirchberg lange nichts, also war es in Ordnung, da mal zu bleiben.
Für einen Anfänger auf erster großer Tour kann ich mich über mein Fortkommen echt nicht beschweren, wenn ich die Stimme meiner kleinen Fußzehen galant ignoriere.
Auch wenn das Wetter nicht mehr ganz so sommerlich ist, ich hab’ wohl wieder mal Glück!