23.Tag: Vougeot – Beaune

Montag, 19. Oktober 2015
Strecke: 25,5km – Etappe: 240,5km – Gesamt: 754,8km
Gehzeit: 7:45 brutto / 5:00 netto

Das mit dem gemütlichen Start in den Tag ist im Grunde keine wirklich schlechte Idee.
Nachdem die Morgensonne den kalten Dunst der Nacht vertrieben hat, mache ich mich auf den Weg.
Direkt am Ortsausgang habe ich einen sehr schönen Blick auf die bescheideneren Weingüter.

Der Weg führt mich durch die pralle Sonne durch Weinberge, immer leicht bergauf und wieder bergab. In den Weinbergen wird wieder gejagt, aber ich sehe das zwischenzeitlich etwas gelassener.
In Vosne-Romanée erahne ich die bunten Scheiben der Kirche in der Sonne schon aus der Ferne.
Auch, wenn die Kirche inmitten eines großen Friedhofs eher weniger einladend wirkt, gehe ich hinein.

Aber auch das wunderbare Licht kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es eine der etwas muffigeren Kirchen mitten auf einem Friedhof ist…
Also weiter!

Jakobsweg Nuits Saint Georges im Herbst

Nuits St. Georges

Die endlosen Weinberge in der Sonne mit den gut gepflegten Ortschaften haben teilweise schon etwas synthetisches. Ich fühle mich manchmal ein wenig wie in der aufgeräumten Modelleisenbahn-Landschaft.
Die an diesem Tag durchquerten Ortschaften lesen sich wie ein Wo-ist-wo der teuersten französischen Weinlagen:
Comblanchien, Aloxe-Corton…
Die Weingüter präsentieren sich absolut bescheiden, man sieht ihnen den über Jahrhunderte durch geschickten Monopolismus erworbenen Reichtum praktisch nicht an.

Es folgt eine kleine navigatorische Herausforderung, denn der Weg um ein Weingut ist nicht so richtig gut ausgeschildert und der GPS-Track mag nicht so recht zu den Gegebenheiten vor Ort passen. Und es fühlt sich doch etwas seltsam an, zur Jagdzeit querfeldein bis zum nächsten Weg durch den dichten Wald zu pirschen.
Es geht aber wieder mal gut, sonst schriebe ich nun nicht, und schon bald lacht mir wieder die pralle Sonne.
Der Weg plätschert golden und recht einsam von Ort zu Ort.
Gelegentlich sehe ich noch einzelne Eidechsen und glaube, Grillen zu hören.
Ab und an schaue ich mich um, gehe ein Stück in einen der Weingärten hinein und nehme mir ein paar der noch hängenden Trauben. Viele sind noch wirklich gut und sehr süß.
Für “sonnenwarm” reicht es dennoch nicht mehr ganz. Schnell merke ich, daß Pinot Noir ganz klar meine Lieblingssorte ist.
Dennoch traue ich manchmal meinen Augen kaum.

Armut erkennt man hier daran, daß in den Auffahrten Mercedes statt Porsche stehen. Das Proletariat fährt Audi.
Schlechte Jahrgänge an Weinen erkennt man an den fehlenden Jahrgängen oder der bescheidenen Ausstattung der jeweiligen Luxuskarossen.

Jakobsweg Beaune Weinberge Panorama

Blick zurück durch die endlosen Weinfelder nördlich von Beaune

Guter Dinge und ganz bequem erreiche ich Beaune.
Die Einfallstraße scheint endlos, gerade und doch irgendwie unübersichtlich.
Die Lautstärke ist nervtötend, und so lege ich in einer extrem dunklen und alten Kirche eine Ruhepause ein.
Das alte Gemäuer ist zwar wirklich etwas muffig, schirmt aber den Straßenlärm gut ab und steht trutzig als eine Insel der Ruhe gegen die Zeit.
Aber es hilft ja nix, da will ich nicht schlafen!
Ich erreiche die Mairie, aber die bescheiden mir, daß sie keine Stempel geben würden und auch Hoteltipps besser in der Touristeninformation auf der anderen Seite des Stadtkerns zu erhalten wären.
Auf dem Weg durch die Stadt erübrigt sich die Frage nach einem Hotel.
Es gibt zwar nicht extrem viele, aber im Grunde ist es erfreulich unkompliziert. Ich komme im Kern der Altstadt unter.
Beaune ist wieder eine der Städte, die etwas unübersichtlicher und verwirrender aufgebaut sind.
Vermutlich um Fremde fern zu halten.
Und so komme ich auf der Suche nach einem Abendessen nicht weit.
Ich bleibe einfach im Häuserblock.

Bei der Weinkarte allerdings verschlägt es mir echt den Atem!
In der Kneipe kostet die Flasche des Weins aus der Gegend – wir reden nicht vom Jahrhundert-Jahrgang! – allen Ernstes 159 Euro. Das ist, so ergibt es die ungläubige Internet-Recherche, ein echter Schnäppchenpreis für Echezeaux Grand Cru.
Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun!
Einen Moment überlege ich, auf den Tisch zu springen und “Was sollen wir trinken – sieben Tage lang?” anzustimmen.
Dann bestelle ich mir ein Glas Marsannay (6 Euro, mit der geschmacklichen Tiefe und Breite eines ordentlichen Bardolino) und lasse mir das Tagesmenü schmecken.

Überflüssig zu sagen, daß es um mich herum schon bald wieder finstere Nacht wird.

Ach ja:
Das Bein hat durchgehalten. Wellness ist anders, die Schwellung verklebt die Bänder und Sehnen spürbar.
Aber der Schmerz hält sich in Grenzen, der Schuh paßt noch und die Laune ist auch noch gut.
Also gibt es wieder den Wadenwickel und ab ins Bett!

Fazit des Tages:
Herrlich sonnige Etappe durch eine teilweise surreale Landschaft. Hier geht es seit Jahrhunderten nur um die ökonomische Optimierung des Weinanbaus.
Die verhältnismäßig kurze Tagesetappe läßt Zeit für die Sonne und bringt mich gemütlich weiter.
Es ist eigentlich nicht mein gewünschtes Tempo, auch durch die sich immer wiederholende Landschaft scheint es mir etwas langsam voran zu gehen.
Aber das Bein sendet das klare Signal “Laß’ mal, ich schaffe nicht mehr.”. Also ist das wohl mein neues Tempo.
Die Wegeführung ist einfach und absolut unspektakulär, und trotz gegenteiliger Befürchtungen hält sich das mit den freiaufenden Hunden auch in Grenzen. Klar, die Weingüter hier wollen ja im Zweifel auch etwas verkaufen!

2 Replies to “23.Tag: Vougeot – Beaune”

  1. David

    Ich hatte mir vorgenommen – quasi als Würdigung – einen Wein aus der Gegend zu kaufen. Sicherlich gibt es da auch günstigere…aber bei der Internetsuche hat mir der Preis dem Atem verschlagen 😀

    Antwort
    • Frank Author des Beitrags

      Ja, das ist so, das ist ein völlig abgefahrenes Kartell!
      (Hast Du Dir mal eine von diesen Karten angeschaut, welche Scholle wie heißt und was da wächst? Da kann einer auf dem Nachbaracker einen geilen Tropfen winzen, der hat keine Chance, in den hochpreisigen Markt reinzukommen!)
      Ich hatte mir das auch vorgenommen.
      Gib’ nicht auf, halt’ die Augen offen.
      Auf dem Rückweg dieses Jahr fiel mir in einem Supermarkt in Toulouse ein Tropfen aus Gevrey-Chambertin in die Hände, für etwa 10 Euro. Zwar 2016, also nicht das Jahr, in dem ich da durch kam. Aber dennoch.
      Der wartet nun auf einen langen Winterabend mit viel Fernweh…

      Antwort

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