43. Tag: Nasbinals – Saint Chély d’Aubrac

Donnerstag, 12. Oktober 2017
Strecke: 18,1km – Etappe: 240,4km – Gesamt: 1.307,0km
Gehzeit: 6:45 brutto / 4:30 netto.

Heute haben wir nicht so viel vor also haben wir Zeit. Natürlich sind wir zu dieser besonderen Gelegenheit vor dem Wecker wach! Das Frühstück ist recht urwüchsig aber sehr nett, und die sind hier an Wandersleut’ gewöhnt. So ist auch der Proviant für den Tag geklärt und wir stehen um Viertel nach neun auf der Strasse. Schon wieder kein Wölkchen am Himmel, Herz, was willst Du mehr?
Am Vorabend haben wir nochmal einen Blick auf die Strecken und die kommenden Unterkunftsmöglichkeiten geworfen. Unser Ausstiegspunkt dieses Jahr wird Espalion, das zu weit für einen Tag liegt, aber in zwei Tagen gemütlich zu erreichen sein sollte. Also lassen wir es jetzt gemütlich auslaufen.
Wir beginnen mit der Kirche im doch etwas betriebsamen Ort.

Das heißt im Umkehrschluß, dass in Espalion für mich so etwa Halbzeit sein wird.

Am Ortsausgang verrät uns das Gebälk einer an dieser Stelle wahrlich überflüssigen, wind- und wettergeschützten Sitzgelegenheit über unsere Position auf dem Weg: Wenn es von dort aus noch 1.396 Kilometer nach Santiago sind, noch etwa 40 bis Espalion und von Frankfurt bis Santiago so etwa 2.700, dann wird Espalion meine persönliche Halbzeit sein. Oh, das sieht so aus als ob sich die Strecke noch ein wenig ziehen könnte. Im Augenblick dieser Erkenntnis bin ich unfähig “Ultreia!” auch nur zu denken.
Kurz nach dem Ort gibt das Aubrac wirklich so rein landschaftlich nochmal alles. Es geht wieder bergauf, aber etwas abwechslungsreicher als gestern.

Schon bei etwa 4 Kilometer erreichen wir eine Passage, die für mich gefühlt die Essenz des Aubrac ausmacht. Eine absolut irre Landschaft mit einem ganz eigenen Reiz – freilich möchte ich hier keinen Sturm erleben. Und nicht nur für mich, diesem Abschnitt ist auch im Film “Pilgern auf frannzösisch” eine Szene gewidmet. Wir werden in der Nähe des Gehöfts “Pascalet” kurz darüber aufgeklärt, dass wir nun privates Eigentum betreten würden, dort Viehwirtschaft betriben würde und wir, falls wir einen Hund dabei hätten, doch bitte außenrum laufen sollten. Meine Klamotten riechen zwischenzeitlich sicher auch nach Tier, aber das steht dort nicht, und so bewältigen wir die letzen etwa 3 Kilometer des Anstiegs auf etwa 1.370m über Null. In der Weite zeichenen sich vor uns andere Wanderer ab, aber das stört den Eindruck nicht.

Und da ist er wieder, der Mann mit dem Hund und dem entspannten Grinsen, der uns nun schon den dritten Tag in Folge immer gegen Mittag entgegen kommt. Das kann doch nicht sein, wenn der in die Gegenrichtung unterwegs ist! Ich frage ihn nach seiner Geschichte. Er ist Deutscher. “Ich muß nicht arbeiten. Ich bin mit dem Wohnmobil Richtung Santiago unterwegs und laufe morgens immer die schönen Stücke. Gegen Mittag drehe ich dann um, denn ich muß ja zum WoMo zurück. Morgen nehme ich mir wahrscheinlich die andere Seite des Berges vor…”
Dann kommen wir über die Kuppe und erhaschen einen ersten Blick auf die trutzigen Gebäude des namensgebenden Ortes Aubrac. Die kommen aus der Ferne recht nüchtern und zweckmäßig daher. Und das sind sie auch. Aber sie kommen uns gerade Recht für die Mittagspause auf einer sonnigen, windgeschützten Bank.

Nach einiger Zeit reissen wir uns los, wie immer mit einem latenten Bedürfnis nach Kofeein. Heute erleben wir diesbezüglich eine echte Überraschung. Eigentlich rechneten wir damit, auch hier wieder durch einen entvölkerten Ortskern mit hochgeklappten Bürgersteigen und heruntergelassenen Rolläden zu kommen. Aber weit gefehlt! Auf der Sonnenseite des Dorfplatzes ist ein Kaffee, das hat offen, und da sitzen alle, von denen wir uns den ganzen Tage gefragt haben, wo sie denn hin sein mögen, bei extragroßen Kuchenstücken!
Gerade wird ein Tisch frei…ach, wir haben’s heut’ ja nicht so eilig.
Die Kuchenstücke sind so gigantisch, dass wir uns eines teilen. Offensichtlich ist man hier sehr ausgehungerte Touristen gewohnt, die tagelang in der Wildnis gedarbt haben!
Der Blick über den Dorfplatz auf die Hauptstrasse zeigt nebeneinander zwei praktisch baugleiche Hotels, beide sehen allerdings eher geschlossen aus.
Als wir uns die Strasse entlang auf den Weg machen, folgt ein Stück weiter noch ein drittes.
Wir verlassen den Ort auf der Strasse, von nun an geht es bergab. Das Panorama ist nun etwas kultivierter und zivilisierter aber immer noch sehr schön.

Nach etwa einem halben Kilometer verlassen wir die Strasse. Der Abwärtstrend ist nun etwas entschlossener, aber noch immer gut zu gehen. Allein vor dem nächsten Ort – Belvezet – wird es geologisch kurz interessanter, denn wir durchqueren die bröckelige Grenze zwischen zwei Gesteinsschichten, wie am gegenüberliegenden Hang zu sehen ist.

In Belvezet steht eine Bank mit einem Tisch dort, wo sie hingehört. Und die rasch und zielstrebig herbeikommenden Katzen zeugen davon, dass dieser Platz häufig genutzt wird. Zudem gibt es eine Wasserstelle. Es geht weiter abwärts, jetzt etwas waldiger, und das ist eine schöne, frische Abwechslung.

Wir erreichen Saint Chély früh genug um am Ortseingang noch eine Bank in der Sonne zu finden und uns umzuschauen, welche Übernachtungsmöglichkeiten sich bieten könnten. Oder wollen wir vielleich noch weiter?
Wir entscheiden, dass nicht.
In Saint Chély gibt es, auch, wenn das auf den ersten Blick anders aussieht, nicht so richtig viel. Die Gîtes sehen eher eng und dunkel aus. Wir landen in einem kleinen Hotel. Das ist auch eng, aber auf den ersten Blick ganz in Ordnung. Im Erdgeschoss liegt die Kneipe, in der alle ihr Abendessen bekommen, und so sitzen wir unter vielen französischen Wanderern – teilweise bekannte Gesichter – mit recht hihem Sendungsdrang. Das Essen fällt etwas schlichter aus, ist aber genug und eigentlich ganz lecker. Auch wenn ich Alygot jetzt nicht zwangsläufig nochmal gebraucht hätte. Im Ort ist’s dunkel, der Tag morgen wird ein längerer, und so wird es auch bei uns mal wieder relativ schnell Nacht…

Allerdings nicht so Nacht wie die letzten Nächte. Denn mitten in der Nacht fühle ich, wie etwas über meinen Arm krabbelt. Das alarmiert mich deutlich, nachdem ich sowohl im Reiseführer etwas über Bettwanzen gelesen habe als auch in einem der letzten Tourismusbüros ein Bettwanzenspräay zu kaufen gesehen habe. Erst draufhauen, dann nachdenken!
Ich spüre, dass ich, wasimmer es war, platt gedrückt habe, drehe mich um und schlafe weiter…

Fazit des Tages:

Kurze Etappe, die die Tour langsam abschließt. Das Aubrac hat landschaftlich nochmal alles gegeben, der Abstieg ist nicht zu anstrengend.
Vor der Panik vor Bettwanzen sollte solides Wissen stehen!

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